Düsseldorf.. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hebt das Abschiebeverbot auf. Foltergefahr für den Islamisten in seiner Heimat sei nicht mehr wahrscheinlich.
Auf diese Nachricht hatte die Landesregierung lange gewartet. Am Mittwochnachmittag entschied das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, dass das Abschiebeverbot gegen den Islamisten Sami A. nachträglich aufgehoben wird. Das Gericht halte die Gefahr der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Tunesiers durch seinen Heimatstaat „für nicht mehr beachtlich wahrscheinlich“, erklärte ein Sprecher.
Eine diplomatische Zusicherung (Verbalnote) der tunesischen Regierung, die das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ende Oktober nachgeliefert hatte, überzeugte die Richter. Klagen von Sami A., er sei in tunesischer Haft drangsaliert worden, erschienen so als nicht glaubhaft. Damit zeichnet sich schon vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren ab, dass Sami A. nicht mehr aus Tunesien zurückgeholt werden muss.
Aufatmen bei Integrationsminister Stamp
Für NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) geht eine politisch heikle Phase zu Ende, die ihn fast das Amt gekostet hätte. Sami A. war am 13. Juli von den NRW-Behörden in einer Nacht- und Nebelaktion aus der Abschiebehaft Büren per Charterflug nach Tunesien ausgeflogen worden. Die Ausländerbehörde Bochum hatte auf Stamps Weisung hin das Verwaltungsgericht über den Abschiebetermin im Unklaren gelassen. So sollte verhindert werden, dass sich der seit mehr als zehn Jahren unter Polizeiauflagen in Bochum lebende Islamist auf dem Wege des vorläufigen Rechtsschutzes der Rückführung entzieht.
Eine in solchen Fällen übliche „Stillhaltezusage“ der Behörden oder ein „Hängebeschluss“ bis zur juristischen Klärung hatte es nicht gegeben, weil das Gericht nicht von einer eiligen Abschiebung des Islamisten ausging. Stamps Juristen wollten clever „ein Zeitfenster“ nutzen, um den als gefährlich eingestuften Sami A. nach jahrelangem Rechtsstreit außer Landes zu schaffen. Als das Verwaltungsgericht entschied, dass die Abschiebung wegen einer möglichen Foltergefahr nicht zulässig sei, war die Chartermaschine mit Sami A. bereits im tunesischen Luftraum und wurde von Stamp nicht mehr gestoppt.
Bundesweite Debatte über Umgang mit der Justiz
Der Fall zog eine bundesweite Debatte über das Rechtsstaatsverständnis der schwarz-gelben Landesregierung nach sich. Die Justiz fühlte sich in beispielloser Weise von der Exekutive hinters Licht geführt und erhob schwere Vorwürfe gegen Stamp. Der zeitweilig schwer unter Druck stehende FDP-Politiker machte seinen Verbleib im Amt davon abhängig, ob Sami A. in seiner Heimat gefoltert werde. Parallel bemühte sich die Bundesregierung um eine diplomatische Zusicherung des tunesischen Staates, dass der Islamist menschenrechtskonform behandelt werde. Erst am 29. Oktober lag die Verbalnote vor, die nun die Wende in dem Fall brachte