Essen/Gelsenkirchen. . Von Bußgeldern über Härtefälle bis zu letzten Instanzen: Das erste Fahrverbotsurteil für Diesel im Ruhrgebiet wirft viele Fragen auf.
Tag eins nach der richterlichen Anordnung der ersten Dieselfahrverbote im Ruhrgebiet: Auch wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen von Donnerstag noch nicht rechtskräftig ist, reißt der Katalog der Fragen nicht ab.
Was würde es kosten, wenn Dieselfahrer das Verbot missachten?
Dieselfahrern, die ohne Ausnahmegenehmigung in eine Verbotszone einfahren, droht ein Bußgeld. Dessen Höhe ist vom Umfang des Verbots abhängig. In Stuttgart etwa soll bereits zum Jahresanfang eine Umweltzone eingerichtet werden, wie sie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Donnerstag auch für Essen gefordert hat. Fährt der alte Diesel in so eine Verbotszone, muss sein Fahrer 80 Euro zahlen. Diese Bußgeldhöhe ist bundesweit einheitlich im so genannten Tatbestandskatalog geregelt und würde damit ab Juli 2019 auch für Essen gelten. In Gelsenkirchen, wo ein Fahrverbot nur für ein Straßen-Teilstück gelten soll, wären wie im gleich gelagerten Hamburger Fall wohl 25 Euro fällig.
Warum ist in Essen die A 40 betroffen, aber nicht die A 52 und die A 42?
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat 18 Essener Stadtteile zu einer Verbotszone für alte Diesel erklärt. Die Zone gilt auch für den Essener Abschnitt der A40, nicht aber für die A52 und A42, obwohl auch sie durchs Sperrgebiet führen. Grund ist laut Verwaltungsgericht die Datenlage: Für die beiden anderen Autobahnen liegen nicht genug Daten vor. Das Gericht hatte deshalb am Donnerstag auch angeordnet, dass Essen eine stadtweite Belastungskarte für Schadstoffe in der Luft aus dem Jahr 2009 aktualisieren muss. Sollte sich herausstellen, dass an weiteren Stellen im Stadtgebiet der zulässige EU-Grenzwert überschritten wird, müssten laut Gerichtssprecher Wolfgang Thewes weitere Maßnahmen ergriffen werden. Davon könnten dann auch die A52 und die A42 betroffen sein.
Kann es Ausnahmen von den Fahrverboten geben?
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat ausdrücklich Ausnahmen für Gewerbetreibende angeregt. Im Fall der Stadt Essen hält es die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Landesbehörde für möglich, dass es Ausnahmen für Anwohner der Umweltzone über einen noch zu bestimmenden Zeitraum geben könnte. Firmen und Handwerksbetriebe könnten jeden alten Euro-5-Diesel durch einen neuen Euro-6-Diesel quasi ausgleichen. Auch ist über Härtefälle gesprochen worden, wenn sich jemand keinen neuen Pkw leisten kann.
Kann ein Verwaltungsgericht über eine Autobahn wie die A40 urteilen?
Eindeutig ja, meint das NRW-Justizministerium auf Anfrage dieser Redaktion. Ausschlaggebend sei die regionale Zuständigkeit des Gerichts, sagte ein Ministeriumssprecher. Ob das auch künftig so bleiben wird, ist unklar. Ein Sprecher des Oberverwaltungsgerichts Münster erklärte, dass Klagen gegen Luftreinhaltepläne wegen einer Gesetzesänderung Mitte 2017 möglicherweise künftig direkt von den Oberverwaltungsgerichten verhandelt werden müssten. Das werde derzeit geklärt, so der Sprecher. Im Fall des bereits vorliegenden A40-Diesel-Urteils ist das hinfällig.
Wie geht es jetzt weiter?
Das Land hatte bereits am Donnerstag angekündigt, im Fall der für Juli 2019 geforderten Umweltzone in der Stadt Essen Berufung einzulegen. Darüber muss das Oberverwaltungsgericht Münster entscheiden. Möglich ist, dass diese Entscheidung wegen des hohen Rückstaus an den Gerichten erst nach dem Sommer 2019 fällt. Verliert das Land auch in Münster, kann es noch vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen. Erst wenn die Fahrverbote letztinstanzlich geklärt sind, können sie Gerichtsangaben zufolge eingerichtet werden.
Wie kam es überhaupt zu den EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid?
Der derzeit gültige Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Außenluft wurde 2008 von der EU verabschiedet und zwei Jahre später in deutsches Recht übernommen. Laut Umweltbundesamt stützte sich die EU-Kommission auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2000. Diesen lagen klinische Studien über die Wirkung von NO2 auf Asthmakranke zugrunde.
Warum gibt es bei Stickstoffdioxid Unterschiede zwischen Luft- und Arbeitsplatzgrenzwerten?
Kritiker der für Dieselfahrverbote relevanten Grenzwerte verweisen häufig auf die deutlich höheren NO2-Grenzwerte am Arbeitsplatz. Tatsächlich liegt der Arbeitsplatzgrenzwert mit 950 Mikrogramm fast 24-mal so hoch wie der EU-Mittelwert für Außenluft. Der Arbeitsplatzgrenzwert gilt laut Umweltbundesamt für Industriearbeitsplätze und Jobs im Handwerk, bei denen – zeitlich begrenzt – besonders hohe Belastungen etwa durch Schweißarbeiten zu erwarten sind. Bei den Grenzwerten in der Außenluft gehe es hingegen um eine Rund-um-die-Uhr-Belastung und deren langfristige gesundheitliche Auswirkungen auf die Allgemeinbevölkerung.