Bochum. Der neue Vorsitzende der NRW-SPD Sebastian Hartmann hat beim Parteitag am Samstag in Bochum neuen Kampfgeist gefordert.

Die NRW-SPD hat einen neuen Vorsitzenden: Sebastian Hartmann aus Bornheim führt seit Samstag den größten SPD-Landesverband. Der 40-Jährige erhielt beim Parteitag in Bochum 80,3 Prozent der Stimmen – mehr als viele Beobachter erwartet hatten – und löst Michael Groschek ab. Hartmann soll seine Partei nun aus dem Umfragetief führen.

„Ich nehme die Wahl an und sage: Auf nach vorne mit der SPD“, rief Hartmann. 40 Minuten lang hatte er um die Zustimmung der rund 450 Delegierten gebeten. Seine Rede war zum Teil eine klassisch-sozialdemokratische mit dem Ruf nach Aufstiegschancen für alle, nach mehr Gerechtigkeit und weniger Gier. „Ich bin einer von Euch“, rief der landespolitisch kaum bekannte Bundestagsabgeordnete seinen Genossen zu und bat um einen „Vertrauensvorschuss für mein Team und für mich.“

Sebastian Hartmann (r) nimmt nach seiner Rede auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD die Glückwünsche des ehemaligen Bundesvorsitzenden Martin Schulz entgegen, der ihm die Wange tätschelt.
Sebastian Hartmann (r) nimmt nach seiner Rede auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD die Glückwünsche des ehemaligen Bundesvorsitzenden Martin Schulz entgegen, der ihm die Wange tätschelt. © dpa

„Gut und solide“ sei Hartmann aufgetreten, lobten viele Parteitagsgäste. Er schlug ein soziales Reformprogramm („New Deal“) vor. So brauche NRW in Zeiten des Wohnungsmangels eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft. 100 „Bürgerhäuser“ sollen entstehen, damit Menschen in ihren Städten wieder Treffpunkte haben. Eine „Bad Bank“ für die Altschulden der Städte müsse gegründet werden. Der Kampf um Verteilungsgerechtigkeit habe bereits vor Jahrzehnten begonnen. „Wann melden wir uns in diesem Kampf zurück und greifen an?“, fragte Hartmann.

Neue Generalsekretärin

Neue Generalsekretärin ist Nadja Lüders aus Dortmund (77,5 Prozent der Stimmen). Sie löst Svenja Schulze ab, die als Bundesumweltministerin nach Berlin ging. Lüders empfahl ihrer Partei, es nicht mehr allen recht machen zu wollen: „Wer nach allen Seiten offen ist, der ist nicht ganz dicht.“ In einer Kampfkandidatur um das Amt des Schatzmeisters setzte sich André Stinka aus Dülmen knapp mit 50,8 % gegen Ibrahim Yetim (Moers) durch.

SPD-Chefin Andrea Nahles attackierte im Ruhr-Congress-Zentrum CSU-Chef Horst Seehofer. Der Bundesinnenminister sei eine „Gefahr für Europa“, sagte sie. Seehofer und der bayrische Ministerpräsident Markus Söder seien „auf dem Weg zu deutschen Brexit“. Andere Bundesländer würden – anders als Bayern – für eine Landtagswahl nicht ganz Deutschland „in Geiselhaft nehmen“. Sebastian Hartmann bezeichnete die CSU als „AfD in Lederhose“.

Mit großer Mehrheit erfüllten die Delegierten den Wunsch des Parteinachwuchses (Jusos) nach einem Platz in der Parteispitze. Künftig gibt es fünf statt vier stellvertretende Vorsitzende. Zum „Vize“ gewählt wurde der Juso Veith Lemmen aus Dortmund (77,3 %). Stellvertreter sind neben ihm Dörte Schall (89,7 %, Bonn), Sören Link (83,5 %, Duisburg), Elvan Korkmaz (82,4 %, Gütersloh) und Marc Herter (67,6 %, Hamm). Der Generationswechsel an der Spitze der NRW-SPD ist damit vollzogen. Das neue Team ist im Schnitt knapp 41 Jahre alt.

Nahles: Seehofer eine „Gefahr für Europa“

SPD-Chefin Andrea Nahles attackierte im Ruhr-Congress-Zentrum CSU-Chef Horst Seehofer. Der Innenminister sei eine „Gefahr für Europa“. Er und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder seien „auf dem Weg zu deutschen Brexit“. Andere Bundesländer würden – anders als Bayern – für eine Landtagswahl „nicht das ganze Land in Geiselhaft nehmen“.

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Auch Hartmann hatte der CSU im Asylstreit Rechtspopulismus vorgeworfen: "Die Rechtspopulisten sind mitten in der Union." Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gehe es in der Asyldebatte ausschließlich um die anstehende Landtagswahl in Bayern, und zwar "auf dem Rücken der Flüchtlinge und mit Deutschland als Geisel", sagte Hartmann. "Wir werden keinen Millimeter vor rechter Hetze zurückweichen."

Groschek: Seehofer schwächt Merkel

Angesichts des sich zuspitzenden Asylstreits der Unionsparteien hat der scheidende nordrhein-westfälische SPD-Chef Michael Groschek der CSU vorgeworfen, Kanzlerin Angela Merkel (CSU) gezielt zu schwächen. "Wenn Horst Seehofer in zehn Tagen noch im Amt ist, ist Merkel im Grunde nur noch Vizekanzlerin von eigenen Gnaden und nicht mehr Kanzlerin dieses Landes", sagte Groschek beim Parteitag der NRW-SPD. Die Buchstaben CSU stünden für "chauvinistisch, skrupellos und unverantwortlich".

Umweltministerin Schulze: CSU spielt im Asylstreit mit dem Feuer

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) warf der CSU ein Spiel mit dem Feuer und eine Annäherung an die AfD vor. "Niemand weiß, wie dieses Spiel ausgeht", sagte Schulze. Die Wortwahl der CSU in der Flüchtlingsthematik sei unmenschlich und unchristlich, die Aussagen hätten rechtspopulistischen Charakter. "Trump heißt in Deutschland Söder", sagte Schulze. Deutschland brauche eine starke Sozialdemokratie, "um dem Rutsch nach rechts Einhalt zu gebieten".

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Die vergangenen Tage hätten gezeigt, dass Deutschland, Europa und der gesamte Westen "auf schwankendem Boden" stünden. Keine der internationalen Herausforderungen wie etwa die Flüchtlingskrise sei im Alleingang eines Staates zu lösen.

Die CSU will Asylbewerber an der deutschen Grenze abweisen, wenn diese bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden. Die CSU-Spitze hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bis Ende dieses Monats Zeit gegeben, die von ihr favorisierte europäische Lösung zu erreichen. Andernfalls will CSU-Chef Horst Seehofer als Bundesinnenminister gegen Merkels Willen im nationalen Alleingang eine Abweisung an den Grenzen anordnen - ein Schritt, der zum Bruch des Unionsbündnisses und damit der Koalition führen könnte. (mit dpa)