Düsseldorf. CDU und FDP wollen Nordrhein-Westfalen wieder an die Spitze der Bundesländer führen. Wie das gehen soll, steht nun auf 121 Seiten. Ein Überblick:
Einen Monat nach der Landtagswahl ist der Machtwechsel am Rhein nahezu perfekt. Die einzige schwarz-gelbe Koalition auf Landesebene will nach sieben Jahren Rot-Grün in Feldern wie Bildung, innerer Sicherheit oder Wirtschaft in NRW umsteuern. „Nordrhein-Westfalen hat große Potenziale“, schöpfe diese aber nicht aus, heißt es in der Präambel des Koalitionsvertrages.
Der CDU-Landesvorsitzende und wahrscheinlich künftige Ministerpräsident Armin Laschet stellte das 121 Seiten starke Papier gemeinsam mit FDP-Parteichef Christian Lindner am Freitag in Düsseldorf vor. Unsere Redaktion hat sich den Vertrag durchgelesen und bietet an dieser Stelle eine Auswahl der wichtigsten Vorhaben in den zentralen Themenfeldern.
Bildung: Mehr Geld für Kita-Träger, Abkehr vom Turbo-Abi und Studiengebühren für Ausländer
Kita: CDU und FDP halten an der jährlichen Pauschale je Kita-Kind für die Träger der Einrichtungen fest, wollen sie aber schrittweise erhöhen – davon sollen auch Betriebskindergärten profitieren.
Geplant ist zudem ein Rettungspaket für Kitas freier Träger. Das dritte Kita-Jahr bleibt beitragsfrei, die Öffnungszeiten sollen erweitert und das Sprachniveau bei Vierjährigen systematisch ermittelt werden, um Entwicklungsprobleme rechtzeitig zu erkennen.
Schule: In Problemvierteln sollen 30 besondere Talent-Schulen geschaffen werden. Schwarz-Gelb will eine Unterrichtsgarantie einführen, Stundenausfall digital erfassen und eine Personalreserve an Lehrern vor allem an Grundschulen durchsetzen.
Weiterführende Schulen erhalten das Fach Wirtschaft. Das neunjährige Gymnasium wird ab 2019 zur Regel, das Turbo-Abitur die Ausnahme. Sekundarschulen bleiben besonders auf dem Land erhalten. Für die Ganztagsschule ist ein Sofortprogramm für mehr Plätze und Qualität geplant.
Ausbildung: Auch erfahrene Meister und Ausbilder sollen an den Berufsschulen lehren können. Nach Schweizer Vorbild wird das Berufsabitur getestet.
Hochschule: Nicht-EU-Ausländer sollen Studiengebühren von 1500 Euro pro Semester zahlen. Junge Forscher sollen durch spezielle Professuren nach US-Vorbild gefördert werden. Gegen den Ärztemangel plant Schwarz-Gelb in Bielefeld eine weitere Medizinische Fakultät, Kooperationen zwischen Bonn und Siegen und geringere Hürden für Studenten, die später auf dem Land arbeiten.
Innere Sicherheit: Mehr Polizisten, mehr Videobeobachtung und härte Strafen
Polizei: Die Anzahl der Kommissaranwärter wird von 2000 auf 2300 erhöht – noch 2017 und auf dem Niveau bis mindestens 2022. Von 2018 bis 2022 ist die Einstellung von jährlich 500 Verwaltungsassistenten geplant. Einsatztrupps der Autobahnpolizei werden von 50 auf 100 Beamte verdoppelt, mobile Fahndungsgruppen sind geplant. Im Gespräch ist eine Polizei-Fachhochschule. Die Kennzeichnungspflicht von Vollzugsbeamten wird abgeschafft. NRW bekommt einen Polizeibeauftragten.
Strafverfolgung: Auch ohne Verdacht soll die Polizei Personen und Fahrzeuge kontrollieren, sofern es dazu einen Anlass gibt. Der Einsatz einer automatisierten Nummernschild-Erkennung ist geplant. Kameras sollen laut Schwarz-Gelb nicht nur Brennpunkte überwachen, sondern vorbeugend auch Orte, an denen Straftaten möglich sind. Polizisten sollen Körperkameras tragen und den Einsatz von Tasern testen. Die vom Bund ermöglichten Fußfesseln für islamistische Gefährder will NRW einführen. Der Blitzmarathon ist eingestellt.
Rettungskräfte/Opfer: Wer Rettungskräfte auf dem Weg zum Unfall behindert, soll härter bestraft werden. Für Opfer von Katastrophen soll es einen Hilfsfonds geben, auch ist der Einsatz eines Opferschutzbeauftragten geplant.
Justiz: Sehen sich Bürger in ihren in der NRW-Verfassung gesicherten Rechten beschnitten, sollen sie Verfassungsklage einreichen dürfen. An den Gerichten setzt CDU/FDP auf beschleunigte Verfahren und kündigt mehr Personal an. Oberlandesgerichte sollen sich spezialisieren können.
Wirtschaft und Umwelt: Bekenntnis zur Industrie, Hilfen für Gründer und weniger Bürokratie
Industrie: NRW soll zum „innovativsten Industriestandort in Europa“ werde. Dafür wollen CDU und FDP „beste Investitionsbedingungen“ schaffen. Ein industriepolitisches Leitbild soll verbindlich für die gesamte Landesregierung gelten. Die Pflicht zur Online-Veröffentlichung von Antragsunterlagen immissionsschutzrechtlicher Verfahren etwa beim Bau von Industrieanlagen wird aufgehoben.
Start-Ups: Mit dem Gründer-Stipendium NRW werden 1000 Gründer in der Anfangsphase mit jeweils 1000 Euro im Monat gefördert. Zudem werden sechs so genannte „Exzellenz-Start-Up-Center“ eingerichtet.
Bürokratieabbau: Das Baurecht soll vereinfacht werden, die Hygieneampel für Gastronomiebetriebe wird gestrichen. Das wegen des hohen Bürokratieaufwands vor allem bei Handwerksbetrieben in die Kritik geratene Tariftreue- und Vergabegesetz wird entschlackt. Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, müssen künftig nur noch nachweisen, dass sie den Mindestlohn und allgemeinverbindlichen Tarifvertragsregeln einhalten.
Handel: Geschäfte in den Innenstädten sollen künftig an acht statt wie bisher an nur vier Sonntagen im Jahr öffnen dürfen. Innerhalb einer Gemeinde dürfen bis zu 16 Sonn- und Feiertage je Kalenderjahr freigegeben werden.
Windkraft: Neue Windräder müssen einen Mindestabstand von 1500 Metern zu geschlossener Wohnbebauung einhalten. Bislang galt eine fallabhängige Vorgabe mit deutlich geringeren Abständen.
Verkehr und Infrastruktur: Schnelleres Internet, kürzere Bauzeiten und ein tieferer Rhein
Digitalstrategie: Die Digitalisierung soll beschleunigt werden. Dazu sollen die Rahmenbedingungen für zusätzliche Mehrinvestitionen in Höhe von sieben Milliarden Euro bis 2025 geschaffen werden. NRW soll bis dahin über flächendeckende, konvergente Gigabit-Netze verfügen.
Straßenbau: Um die Bauzeiten auf Autobahnen zu verkürzen, soll die Sechs-Tage-Woche zur Regel und der Drei-Schicht-Betrieb ausgebaut werden. Die Planungskapazitäten des Landesbetriebs Straßen NRW werden verstärkt. In den nächsten zwölf Monaten sollen mindestens zwölf Planfeststellungsbeschlüsse für Fernstraßenprojekte fertig sein. Der Betrieb von Lang-Lkw wird begrüßt.
Luftverkehr: Kleinere NRW-Flughäfen wie Dortmund und Weeze sollen wieder aufgewertet werden. Die im Landesentwicklungsplan getroffene Unterscheidung zwischen landes- und regionalbedeutsamen Airports wird gestrichen.
Wasserstraßen: Sowohl die von Umweltschützern massiv bekämpfte Rhein-Vertiefung als auch die Anhebung der Kanalbrücken zur besseren Durchfahrt von Containerschiffen soll auf den Weg gebracht werden.
Diesel: Schwarz-Gelb lehnt Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ab und setzt stattdessen auf mehr Elektrobusse und Euro-5-Dieselbusse im Nahverkehr.
Radverkehr: Radwege sind laut Koalitionsvertrag „fester Bestandteil einer intelligenten Verkehrspolitik“. Sie sollen ausgebaut und besser vernetzt werden. Zudem gibt es ein klares Bekenntnis zu Radschnellwegen.
Kommunen und Integration: Kommunalsteuern einfrieren, Baugenehmigungen beschleunigen, Flüchtlingsklassen einrichten
Kommunalsteuern: Die Steuererhöhungsspirale bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer soll durch das Einfrieren der fiktiven Hebesätze im Gemeindefinanzierungsgesetz gestoppt werden. Für Stärkungspakt-Kommunen soll der Zwang zu Steuererhöhungen wegfallen.
Unterhaltsvorschuss: Schwarz-Gelb will die Städte bei den Kosten für den Unterhaltsvorschuss Alleinerziehender entlasten und den kommunalen Kostenanteil senken.
Schulden: Finanzschwachen Städten wird beim Abbau ihres Altschuldenberges geholfen. Zur Rede steht eine „Kommunale Kredithilfe“. Eine Vergemeinschaftung kommunaler Schulden wird aber ausgeschlossen.
Bauen: Über Anträge im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren soll künftig innerhalb von einem Monat und über Bauanträge in der Regel in zwei Monaten entschieden werden.
Asylverfahren: Asylsuchende mit geringer Bleibeperspektive sollen nicht auf die Kommunen verteilt, sondern in den Landeseinrichtungen bleiben. „Kettenduldungen“ bei gut integrierten, straffreien Ausländern sollen in einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus umgewandelt werden.
Schulpflicht für Flüchtlinge: Die Altersgrenze der Schulpflicht wird bei Flüchtlingen ohne Ausbildung auf 25 Jahre hochgeschraubt. Flüchtlingskinder sollen wieder in separaten Förderklassen unterrichtet werden.