NRW. In einer Datei sind knapp 11.000 gewalttätige Fußballfans gelistet. Die Fan-Gewaltquote der Vereine bleibt jedoch unter Verschluss.
- "Gewalttäter Sport" heißt eine der umfangreichsten Datenbanken des deutschen Fußballs
- Fast 11.000 Problem-Fans aus ganz Deutschland sind hier gelistet - mit bis zu 40 persönlichen Merkmalen
- Die Datei ist weitgehend geheim - obwohl sie für mehr Sicherheit in Stadien sorgen kann
10.907 Namen sind aktuell in einer der umfangreichsten Dateien des deutschen Fußballs gespeichert. Ihre Bezeichnung: „Gewalttäter Sport“. Herr über diese bundesweite polizeiliche Datensammlung ist die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze beim Landesamt für zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg. Nach Steinwürfen von BVB-Ultras gegen die Anhänger von Red Bull Leipzig ist das eine spannende Informationsquelle. Sind die Hooligan-Hochburgen Deutschlands erkennbar?
Die Fans, die hier drin stehen, haben meist schon Stadionverbote verpasst bekommen. Sie haben Gefährderansprachen hinter sich und Meldeauflagen durch die Polizei oder sind im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen durch Straftaten aufgefallen, die aus einer Liste von 16 Delikten stammen – von der simplen Beleidigung über gefährliche Eingriffe in den Verkehr, den Missbrauch von Notrufeinrichtungen bis zur Gewalt „gegen Leib und Leben“.
Mehr als 40 persönliche Merkmale können hier notiert sein. Akademische Grade und Spitznamen, das „scheinbare Alter“, bestehende Bahnhofsverbote und die Zugehörigkeit zu den Rockern, Tätowierungen, Mundart und körperliche Auffälligkeiten, Volkszugehörigkeit und sogar die Schuhgröße. Das Ganze wenn möglich mit Lichtbild ergänzt.
Polizeilicher Verdacht genügt für einen Eintrag
Allerdings: Der polizeiliche Verdacht oder auch eine Beschuldigung reichen für eine Eintragung. Es muss keine Verurteilung vorliegen. Das lässt Juristen und Fan-Vertreter immer wieder an der Rechtmäßigkeit zweifeln. Sie beklagen, dass eine Nennung in der Datei Folgen zum Beispiel bei Grenzübertritten haben könnte, obwohl nicht selten keine Straftat nachgewiesen ist. Allerdings ist die Datei höchstrichterlich durch das Bundesverwaltungsgericht abgesegnet.
Deshalb verteidigt die Bundesregierung auch die Verdachts-Datei: „Sie dient der Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, insbesondere von Fußballspielen“.
Stutzig macht indes: Die Sammlung trägt den Stempel „Verschlusssache“ (VS) Sie ist geheim. Nur die Zahl der Eintragungen insgesamt wird öffentlich genannt. Sie wird nicht mal mehr nach Ländern aufgeschlüsselt mitgeteilt – bis 2013/14 war NRW mit fast 40 Prozent der Eintragungen vertreten. Vor allem: Es gibt auch keinen Hinweis an die Öffentlichkeit, welchen Vereinen die Eingetragenen angehören. Obwohl diese Angaben der Polizei selbstverständlich bekannt sind. Welche Vereine die auffälligste Fangemeinde haben – das bleibt damit unter der Decke. Dabei ist es in Kriminalstatistiken sonst üblich, zum Beispiel die Belastung einzelner Städte durch Einbruchsdelikte offen zu benennen und sogar einzelner Straßenzüge – siehe das Einbruchsradar in Nordrhein-Westfalen. Es erleichtert die Kriminalitätsbekämpfung.
Datei bleibt geheim, um weitere Gewalt zu verhindern
Wieso ist das bei der Sport-Datei anders? Erstmals hat das Bundesinnenministerium auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag durchblicken lassen, warum sich der Staat an dieser Stelle so schmallippig zeigt. Er hat Angst, dass die Gewalt eskalieren könnte: Fans könnten ein Ranking zum Anlass nehmen, um sich hochzuprügeln. Das Ministerium spricht vom „Phänomen der Selbstinszenierung“.
Wörtlich heißt es in der Antwort, die unserer Redaktion vorliegt: „Eine bundesland-und vereinszugehörige Aufschlüsselung ist für eine Veröffentlichung nicht geeignet, da zu befürchten stünde, dass diese von der Problemszene als „Rangfolge“ missverstanden wird. Gewalttäter könnten hierdurch zu weiteren Störungen animiert werden, um in der so verstandenen Rangordnung aufzusteigen“.
Ranking der gewalttätigsten Fans sickert dennoch durch
Tatsächlich gibt es andere Wege, die Gewaltbelastung der einzelnen Liga-Clubs herauszufinden. Denn auch die Bundespolizei führt eine interne Gewalt-Tabelle. Sie wird immer wieder durch Indiskretion bekannt, zuletzt in der „Bild“-Zeitung in der Saison 2013/14. Danach sind Hansa Rostock, Dynamo Dresden und Borussia Dortmund – in dieser Reihenfolge – die Vereine, die die Fan-Gruppen mit den meisten Straftaten und Gewaltdelikten haben. Schalke und Hertha BSC folgen dahinter auf Platz 4 und 5. Bei den reinen Gewaltdelikten schiebt sich Dortmund sogar auf Platz 1.
Beruhigend: Abgesehen von solchen Ausreißern wie beim RB Leipzig- Spiel in Dortmund scheinen die Fans sich insgesamt abzukühlen. Noch im Sommer 2014 waren in der Gewalttäter-Datei Sport 13 463 Namen gespeichert – bis zum Jahresbeginn 2017 eine Reduzierung um fast 2500 Eintragungen.