Berlin. Außenminister Heiko Maas räumt Probleme bei der Rückholung von Urlaubern nach Deutschland ein: Was seiner Meinung nach passieren muss.
Außenminister Heiko Maas ist ein wichtiger Krisenmanager in der Corona-Pandemie. Die Rückholung deutscher Urlauber gestaltet sich allerdings schwierig. Woran es hakt, sagt der SPD-Politiker im Interview mit unserer Redaktion.
Sie gehören dem Corona-Krisenkabinett an. Wie düster ist die Atmosphäre?
Heiko Maas: Die aktuelle Lage ist ernst, das ist allen klar. Wir beraten uns intensiv und in sehr kurzen Abständen, um als Bundesregierung das Notwendige in dieser Krise zu tun. Dabei stützen wir uns auf den Rat der Experten. Jedes Ministerium arbeitet auf Hochtouren und legt Wochenendschichten ein. Im Krisenkabinett bündeln und koordinieren wir die geplanten Maßnahmen.
Andere Länder verhängen eine allgemeine Ausgangssperre – kann sich Deutschland leisten, darauf zu verzichten?
Maas: Ich bin überzeugt, dass der ganz überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger die Lage sehr ernst nimmt. Sie handeln verantwortungsvoll und sind solidarisch. Das ist die große, im Straßenbild eben unsichtbare Mehrheit.
Es kommt aber gerade an diesem Wochenende darauf an, dass alle die Einschränkungen akzeptieren, damit sie wirken können. Das beurteilen wir fortlaufend, was in einer so dynamischen Situation eine Herausforderung ist. Aber wir haben in Deutschland zum Glück große Fachexpertise und sind bereit, unser Handeln anzupassen. Wir tun, was wirksam ist und was nötig ist.
Es gibt wachsende Kritik am uneinheitlichen Vorgehen in Deutschland, aber auch in der EU – von „Flickenteppich“ ist die Rede. Ganz zu Unrecht?
Maas: In den letzten Tagen und Wochen wurden in sehr schneller Folge nationale Notmaßnahmen getroffen, etwa an den EU-Binnengrenzen. Das ist in dieser Krisenlage mit Blick auf das Ziel, die Verbreitung zu verlangsamen, auch verständlich.
Es ist aber klar, dass es bei einer Abfolge solcher Schritte auch zu Problemen kommt. Deswegen brauchen wir jetzt in Europa dringend das nötige Feintuning. Die Notmaßnahmen werden in Brüssel aufeinander abgestimmt und angepasst, wo es Bedarf gibt. Ich war in den letzten Tagen mit vielen meiner Kollegen in Kontakt und wir verfolgen das gleiche Ziel.
Ein Beispiel sind unsere Rückholflüge. Erstmal haben alle EU-Länder begonnen, ihre Bürger in Eigenregie zurück nach Hause zu holen – das musste ja erst einmal anlaufen. Jetzt registrieren wir unsere Flüge zusätzlich in einem europäischen System, das steigert die Effizienz. Wenn wir Kapazitäten haben, nehmen wir auch Bürger anderer EU-Länder mit. Andersherum können natürlich auch Deutsche auf die Rückholflüge anderer Länder aufspringen. So koordiniert können wir alle Europäerinnen und Europäer viel schneller nach Hause holen.
Wann werden alle Urlauber zurück in Deutschland sein?
Maas: Wir wollen den gestrandeten Deutschen im Ausland eine möglichst schnelle Rückkehrmöglichkeit nach Deutschland anbieten. Daran arbeiten wir mit Hochdruck. Gemeinsam mit den Reiseverbänden und den Fluggesellschaften ist es gelungen, dass seit Beginn der Woche über 100.000 Deutsche nach Hause zurückkehren konnten. Viele weitere haben sich registriert und warten auf Flugmöglichkeiten.
Leider können wir nicht in allen Fällen innerhalb kürzester Zeit Abhilfe schaffen. Wir wollen der größtmöglichen Zahl schnellstmöglich helfen – natürlich unter Berücksichtigung besonderer Notlagen. Oft stellen stehen wir dabei vor großen Herausforderungen, damit die Menschen überhaupt die Flughäfen erreichen können. Auch der inländische Reiseverkehr ist in vielen Ländern zum Erliegen gekommen.
Wir müssen viele Puzzleteile ineinander fügen. Unsere Botschaften und Konsulate arbeiten mit größtem Einsatz Tag und Nacht daran, für alle Betroffenen pragmatische Lösungen zu finden.
Ist eine Luftbrücke auch für Lebensmittel oder Hygieneartikel denkbar? Die Lufthansa hat sich dafür schon angeboten.
Maas: Die Versorgung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln ist in Deutschland gesichert. Genau deswegen machen auch Hamsterkäufe keinen Sinn. Im Gegenteil. Sie führen immer wieder zu kurzfristigen Engpässen in einzelnen Supermärkten. Mehr Menschen, die ihren Bedarf decken wollen, müssen dadurch öfter in den Supermarkt. Das ist für das Ziel, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, kontraproduktiv. Was es jetzt braucht, ist Solidarität unter uns allen, jeder Bürger und jede Bürgerin zählt.
Was sollen Grenzschließungen bringen – außer einer Unterbrechung der Lieferketten?
Maas: Wir wollen das Virus ausbremsen, nicht den Waren- und Güterverkehr. Grenzschließungen sind gravierende Maßnahmen, das nimmt niemand in Europa auf die leichte Schulter. Dennoch sind sie jetzt notwendig, um eine Verbreitung des Corona-Virus zu unterbinden. Es gibt vielfache Beispiele, wie sich das Virus über Grenzen verbreitet und in Gemeinden dann weiterverbreitet wurde.
Das Virus kennt nur die Grenzen, die wir ihm aufzeigen. Dazu brauchen wir gemeinsames, koordiniertes und möglichst lückenloses Handeln. Die Bundesregierung wird alles daran setzen, eine Unterbrechung der Lieferketten zu verhindern. Lieferketten müssen aufrechterhalten werden, damit wir die Energie haben, diese Durststrecke gemeinsam zu absolvieren. Das ist gerade für eine starke Exportnation wie Deutschland von allergrößter Bedeutung.
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