Essen. . Yakov Hadas-Handelsman, Israels Botschafter in Berlin, ist besorgt über Hetze gegen Juden. Der Siedlungsbau sei kein hohes Hindernis für Friedens-Verhandlungen mit den Palästinensern

Der israelische Botschafter in Berlin, Yakov Hadas-Handelsman, war Gast des Politischen Forums Ruhr. Im Interview mit dieser Zeitung beklagt er, Kritik an Israel sei in Deutschland in Mode gekommen.

Exzellenz, im Sommer gab es viele Israel-kritische Demonstrationen. „Unsere Mitglieder sind verunsichert, weil Hassparolen gegen Juden zu hören waren“, heißt es in vielen jüdischen Gemeinden. Macht sich Juden-Hass breit in Deutschland?

Hadas-Handelsman: Wenn in Deutschland „Juden ins Gas“ gerufen wird, dann verunsichert dies natürlich die Juden hier. Mehrere von ihnen fühlen sich inzwischen in Deutschland unerwünscht. Nun, heute haben sie im Gegensatz zu früher die Möglichkeit, in Israel Zuflucht zu suchen. Aber die deutsche Gesellschaft muss sich ebenso Sorgen machen. Heute hetzen Extremisten gegen Juden, morgen gegen Jesiden und Kurden, übermorgen vielleicht gegen Christen. Die deutsche Demokratie ist in Gefahr.

Riskant scheint es auch zu sein, die israelische Politik zu kritisieren. Jerusalem reagiert empfindlich.

Kritik an Israel ist natürlich erlaubt, auch in Deutschland. Aber wir erwarten, dass Deutschland etwas sensibler mit Israel umgeht. Leider ist „Israel-Kritik“ in deutschen Medien fast schon üblich geworden. Es ist heute sozusagen in Mode, Israel zu kritisieren.

70 Jahre nach dem Weltkrieg stehen immer noch Polizeiwagen vor Synagogen und jüdischen Kitas in Deutschland.

Das darf kein natürlicher Zustand sein. Erziehung und Bildung helfen dagegen, ebenso wie Recht und Ordnung. Aber das ist leider wie ein Marathonlauf, eine unendliche Geschichte.

Vor fast 50 Jahren nahmen Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen auf. Wie eng sind diese Beziehungen? Sind es Partner oder sogar Freunde?

Die Beziehungen sind einzigartig und wichtig für beide Partner. Unser Schicksal ist für immer verbunden. Staaten pflegen immer Beziehungen zueinander, aber in diesem Fall kommt die Vergangenheit dazu.

Aber lässt die Vergangenheit Freundschaft zu, wie zwischen Deutschland und Frankreich?

Ja, es gibt eine deutsch-isreaelische Freudschaft. Ich bin in einem Haus aufgewachsen, in dem es keine Geräte „Made in Germany“ geben durfte. Und heute? Heute ist Berlin bei jungen Israelis in Mode. Deutsche genießen Urlaub in Israel, deutsche und israelische Universitäten sind eng verbunden. Man spricht miteinander und versteht sich. Das ist Freundschaft.

Die Bundesregierung sagt, Deutschland sei bereit, mit EU-Partnern künftig die Grenzen zum Gazastreifen zu sichern. Ist die israelische Gesellschaft offen für deutsche Polizisten an ihren Grenzen?

Zunächst einmal: Israel ist immer in der Lage, sich selbst zu schützen. Der Holocaust hat uns gelehrt, dass wir unsere Sicherheit nie wieder in die Hände anderer legen. Israel wird sich auch jetzt selbst verteidigen. Aber wenn Deutschland oder andere Länder uns bei der Grenzsicherung mit Inspektoren helfen wollen, nehmen wir das auch gerne an. Ein gutes Beispiel hierfür ist die UN-Mission Unifil im Libanon.

Um den Gazastreifen wieder aufzubauen, muss Israel seine Grenze öffnen. Gibt es diese Bereitschaft?

Ja, und wir machen das auch schon. Aber diesmal muss sichergestellt sein, dass alles, was über diese Grenze gebracht wird, dem Wiederaufbau und nicht der Wiederaufrüstung dient. Inspektoren, auch internationale, müssen das kontrollieren können.

Die Bilder von den Kriegs-Opfern erschüttern. Was unternimmt Israel, damit es nicht wieder zu einem Gazakrieg kommt?

Israel hatte kein Interesse an diesem Krieg. Die Hamas hat ihn uns aufgezwungen, weil sie unter Druck stand und ablenken wollte. Denn Hamas ist auch in der arabischen Welt isoliert.

Der Druck auf Israel wächst. Westliche Staaten erwarten, dass Israel den Siedlungsbau stoppt und ernsthaft über eine Zwei-Staaten-Lösung verhandelt. Wird das geschehen?

Der Siedlungsbau ist kein Hindernis für den Friedensprozess. Israel hat schon zweimal Siedlungen aufgegeben: 1982 in Nord-Sinai und 2005 im Gazastreifen.

Aber neue Siedlungen sind das Haupthindernis für den Frieden.

Es entstehen keine neuen Siedlungen, es werden nur vorhandene ausgebaut. Noch einmal: Die Siedlungen erschweren die Annäherung, aber wenn es eine Lösung für Frieden gibt, werden sie kein Hindernis sein. Ich erinnere mich als ich ein Kind war, vor 1967, als wir noch nicht in Judäa und Samaria lebten und es weder Siedlungen noch einen Palästinensichen Staat gab – auch dann herrschte kein Frieden. Im Gegenteil: selbst dann wollten uns die arabischen Länder vernichten. Wir haben mehrmals versucht, mit den Palästinensern zu verhandeln. Vor genau vier Jahren hat die israelische Regierung mit Premierminister Netanyahu und Außenminister Lieberman einen Siedlungsstopp für zehn Monate beschlossen, um unsere Bereitschaft für einen Friedensschluss zu zeigen. Trotz unserer Bereitwilligkeit gab es leider kein Voranschreiten der Verhandlungen. Das zeigt, dass die Siedlungen kein Hindernis für den Frieden sind. Beziehungsweise nicht das Haupthindernis.

Schweden will Palästina als Staat anerkennen, das britische Parlament hat dafür gestimmt. Deutschland, Frankreich, England, Spanien, Italien, USA dringen auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Beeindruckt das die israelische Regierung gar nicht?

Die israelische Regierung glaubt an eine Zwei-Nationen-Staaten-Lösung. Das ist die offizielle Haltung. Die Palästinenser machen eine großen Fehler mit ihren unilateralen Bestrebungen in der internationalen Gemeinschaft, anstatt direkt mit uns zu verhandeln. Dies ist der einzige Weg, eine Lösung für den Konflikt zu finden, und so einen unabhängigen palästinensichen Staat neben den Staat Israel zu etablieren.