Berlin. Breite Mehrheit bereits im ersten Wahlgang. Auch die CDU muss zustimmen, damit er Regierender werden kann.

Nächster Regierungschef Berlins soll nach dem Willen der SPD-Basis der bisherige Stadtentwicklungssenator Michael Müller werden. Im Mitgliedervotum für die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) erzielte der 49-Jährige am Samstag im ersten Wahlgang mit 59,1 Prozent die absolute Mehrheit. „Ich freue mich wahnsinnig, aber ich muss auch sagen, ich bin ganz platt“, sagte er. Er hoffe, dass die Berliner SPD dieses Votum auch für die Wahl 2016 nutzen könne und führende Kraft bleibe.

Wowereit, der zum 11. Dezember nach 13 Jahren als Regierender Bürgermeister zurücktritt, äußerte sich erfreut. Mit Müller werde die Arbeit des rot-schwarzen Senats in „politischer Kontinuität, aber mit neuen Akzenten“ fortgesetzt.

Im Mitgliederentscheid um die Wowereit-Nachfolge waren auch der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß und der Fraktionschef im Berliner Landesparlament, Raed Saleh, angetreten. Stöß kam auf 20,8 Prozent der Stimmen, Saleh auf 18,6 Prozent. Müller muss nun noch bei einem SPD-Parteitag am 8. November nominiert und dann im Dezember im Abgeordnetenhaus gewählt werden. Auch der Koalitionspartner CDU muss also zustimmen.

Müller hatte mit diesem Triumph nicht gerechnet – nach all den Niederlagen. Als SPD-Chef 2012 abgesägt, den Volksentscheid zum Flughafen Tempelhof verloren, in der Partei scheinbar auf dem Abstellgleis. Doch jetzt ist er zurück.

Er vergrub sich in Arbeit

Müller stand Wowereit politisch und menschlich schon immer sehr nah. Er ließ sich von seinem Kur nicht abbringen und steckte die Niederlage weg, wie so viele danach auch. Statt sich beleidigt zurückzuziehen, vergrub er sich in der Arbeit: Wohnungsbau, günstige Mieten, die S-Bahn. Jetzt schließt sich ein Kreis. Denn der künftige Regierungschef triumphiert ausgerechnet über den Mann, der ihn damals von der SPD-Spitze und ins Abseits drängte: SPD-Landeschef Jan Stöß.

Stöß und Saleh, die Geschlagenen, beeilen sich, Einigkeit zu beschwören. Die „drei Musketiere“ waren die Kandidaten im Wahlkampf genannt worden. Jetzt heiße es wirklich „Einer für alle, alle für einen“, sagt der Hüne Stöß. „Und dieser Eine ist Michael Müller“. Auch Saleh betont seine Loyalität. Den Posten als Fraktionschef wird dem 37-Jährigen trotz Platz drei beim Mitgliederentscheid wohl keiner streitig machen.

„Einer für alle“ - ein Kandidat für alle Fälle. So könnte man Müller auch nennen. Denn die SPD-Mitglieder haben mit ihm auch Erfahrung und Kontinuität nach Wowereit gewählt. Bei Müller wusste man, woran man ist.

Der SPD erspart die schnelle Wahlentscheidung eine kräftezehrende Stichwahl. Jetzt können die innerparteilichen Gräben zugeschüttet werden. Endlich wieder Themen statt Namen - darauf hofft auch der Koalitionspartner CDU. „Da die SPD in den vergangenen Wochen mit sich selbst beschäftigt war, gibt es hier Nachholbedarf“, mahnt Parteichef Frank Henkel. Jetzt müsse sich zeigen, ob Müller als starker Mann in der SPD akzeptiert werde.

Für den 41 Jahre alten SPD-Chef Stöß jedenfalls wird es nun enger. Sein Konfrontationskurs gegenüber Wowereit und Müller brachte dem promovierten Verwaltungsrichter schon bei seiner Wiederwahl auf dem Parteitag im Juni nur knapp 69 Prozent. Jetzt 20,8 Prozent. Ein überzeugtes Votum der SPD-Mitglieder für ihren Vorsitzenden sieht anders aus. Dass Müller den ehrgeizigen SPD-Chef nun zum Finanzsenator oder gar zu seinem Nachfolger im Mammutressort Stadtentwicklung berufen wird, gilt als unwahrscheinlich.

Doch Müller wäre nicht Müller, wenn er beide Unterlegenen nicht sofort einbeziehen würde. Das Votum der SPD-Basis müssten nun alle drei gemeinsam nutzen, damit die Partei auch nach der nächsten Wahl 2016 stärkste Kraft in Berlin bleibe, sagt er. Und Saleh und Stöß nicken. Ob die betonte Gemeinsamkeit trägt, müssen die nächsten Monate zeigen. Das neue Trio an der Spitze der SPD weiß, dass zerstrittenes Führungspersonal bei Wählern kaum ankommt. Wenn die Hauptstadt-Genossen den vierten Wahlsieg in Folge - nun ohne Wowereit - einfahren wollen, müssen sie sich zusammenraufen. (dpa)