Berlin.

Die Bundeswehr hat seit Jahren bewusst die Kosten von Projekten zu tief angesetzt, um das Parlament leichter für neue Waffen zu gewinnen. Das geht aus einem externen Gutachten hervor, das Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gestern in Berlin vorgelegt wurde. Die Ministerin will das Beschaffungswesen straffen, neu ordnen und sicherstellen, dass die Leitungsebene früher als bisher über Fehlentwickelungen informiert wird.

Außerdem soll die Bundeswehr die 7700 Verträge, die jährlich anfallen, besser aushandeln. Juristisch strebt sie Waffengleichheit im Verhältnis zur Industrie an. Für die Wirtschaft ist eine andere Festlegung gravierender: Von der Leyen macht nur wenige deutsche Schlüsseltechnologien aus, wie etwa die Sensorik. Panzer, U-Boote und Handfeuerwaffen zählt sie nicht dazu. Doch in allen drei Bereichen ist die deutsche Industrie führend. Die Bundeswehr soll nach von der Leyens Vorstellung künftig da einkaufen, wo es am günstigsten ist; nicht zwingend daheim. Sie reicht damit den schwarzen Peter weiter an den Wirtschaftsminister, der Exporte – zweites Standbein der Industrie – genehmigt. Die Regierung diskutiert über die Zukunft der Waffenindustrie.

Die Gutachter hatten neun Rüstungsprojekte mit einem Volumen von 56 Milliarden Euro untersucht. Zum Vergleich: Dafür könnte man den Bahnhof „Stuttgart 21“ acht Mal bauen. Fazit der Gutachter: zu teuer, zu spät (Verzögerungen von 2,5 bis zehn Jahren), zu mangelhaft. Sie listen insgesamt 140 Risiken auf. Der Kardinalfehler sei, so heißt es, dass die Kosten von Anfang an zu niedrig angesetzt werden. Es gibt dafür sogar einen Ausdruck: „sich schlank lügen“. Die Methode funktionierte über Jahre. Von den neun Projekten reichen zwei bis 1987 zurück, zwei weitere bis Anfang der 90er Jahre.

Eine Spielart des „Schlanklügens“ bestand darin, den Zuschlag für Systemkosten, etwa ein Radar für ein Flugzeug, nicht auszuweisen. Hinzu kamen politische Vorgaben für die Kostenaufstellung. und handwerkliche Fehler. Für den Ankauf des „Puma“ griff man auf schlichte Musterverträge zurück. Für den Hubschrauber „Tiger“ wurden die Vertragsstrafen auf maximal sechs Prozent begrenzt. Für Hersteller konnte es sich lohnen, lieber zu zahlen als pünktlich zu liefern. Von der Haftung für Fehler wurden sie in vielen Fällen ausgeschlossen.

Von der Leyen will, dass sich die Bundeswehr ehrlich macht. Die Methode „Schlanklügen“ führte zu einem Verdrängungswettbewerb: Was einmal bewilligt war, wurde trotz steigender Kosten meist zwar weiter verfolgt. Aber so fehlte das Geld für andere Entwicklungen. Künftig soll die Bundeswehr die Kosten von Anfang an realistisch benennen und eine andere „Kultur“ leben. Von der Leyen ahnt, wie schwer das wird: „Ich stelle mich auf eine lange harte Aufgabe ein.“ Das Gutachten war der Startschuss für eine Neuordnung der gesamten Beschaffung. Projekte, die sie bisher gestoppt hatte, will von der Leyen vorantreiben, etwa den Wartungsvertrag zum Transportflugzeug A400 M und den Marine-Hubschrauber „Sea Lion“.

Derweil bestätigte die Ministerin, dass eine Drohnenmission in der Ukraine „geprüft“ werde und dass sie für die Allianz gegen die Terror-Miliz „IS“ angeboten habe, im kurdischen Erbil ein Ausbildungszentrum für Kämpfer aufzubauen. Aber über beide Projekte sei nicht entschieden. Die Obleute im Parlament habe sie informiert. Im Bundestag hatte es Kritik gegeben, weil von der Leyen trotz der Ausrüstungsmängel und Pannen weitere Einsätze befürwortet.