Essen.. Jeder vierte Patient in deutschen Krankenhäusern ist dement. Und obwohl ihre Zahl so groß ist, sind die Krankenhäuser kaum auf diese “Problempatienten“ vorbereitet. Experten klagen: Weil es an Wissen und Personal mangele, würden Patienten mit Pillen und Fesseln ruhiggestellt.

Herr P. ist ein liebenswerter alter Herr. Dass er trotzdem ein „Problempatient“ ist, hat damit zu tun, dass er manchmal nicht weiß, wo er ist. Vor allem nachts wird er unruhig. Er steht dann einfach auf, obwohl er das nicht darf, weil er sich dann den Blasenkatheter herausreißt. Herr P. ist auch schon mehrfach gestürzt. Deshalb musste er an der Hüfte operiert werden. Die Krankenschwestern sagen ihm, dass er keinesfalls alleine aufstehen darf. Doch es nützt nichts. Herr P. steht auf, denn er ist verwirrt. Oder dement, wie es heißt.

Und er ist keine Ausnahme. In deutschen Krankenhäusern sei jeder vierte Patient dement, sagt Professor Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung, der im „Pflege-Thermometer 2014“ auf die „extremen Defizite der Behandlung von Demenzkranken im Krankenhaus“ eingeht.

Eine Pflegekraft für neun Patienten

„Solche Patienten sind äußerst pflege-intensiv“, das weiß Christiane Wähner aus der Praxis. Sie ist Gerontopsychiaterin in den Bochumer Augusta-Kliniken. Gemeinsam mit dem Facharzt für altersgerechte Medizin, dem Geriater, begleitet sie den alten Menschen schon von der Aufnahme an. Gibt es Anhaltspunkte für eine Demenz, wird der Patient auf eine Spezialstation verlegt. Diese Betreuung gilt als Ausnahme im deutschen Klinikalltag.

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Auf der Spezialstation für Demente kommen drei Pflegekräfte auf zehn Patienten. Der Durchschnitt liege bei einer Pflegekraft für neun Patienten, so Studienleiter Isfort. Überall in Europa sei die Situation deutlich besser.

Es fehlt geschultes Personal

Der renommierte Pflegekritiker Claus Fussek sagt, dass mehr Personal alleine nicht ausreicht. „Wir brauchen speziell geschultes Personal.“ Das weiß, wie es mit einem dementen Patienten umzugehen hat. Viele Bücher hat er schon über desolate Verhältnisse in Pflegeheimen geschrieben. „Wie schlimm es um die Krankenhäuser bestellt ist, darum hat sich bisher noch keiner richtig gekümmert.“

Die Studie belegt das Dilemma: Mangelnde Hilfen in der Grundversorgung, beim Essen, beim Waschen sind die Regel. Die Patienten laufen weg, irren durch die Klinikflure, manche rennen auf die Straße. Nur weil die Angehörigen sich in der Pflicht sehen zu helfen, sei das System noch nicht kollabiert, sagt Fussek. Und die Studie gibt ihm Recht: Die Angehörigen sind die Stützen im Klinikalltag.

Mit Fesseln und Pillen

Die desorientierten Patienten würden ruhig gestellt, per Fessel oder Pillen, so dokumentiert die Studie. Alters-Psychiaterin Christiane Wähner: „Stimmt. Demente Patienten vergessen sehr schnell die Tagesstruktur. Wenn sie dann auf einer normalen Station um 14 Uhr ins Bett gehen, weil sie denken, dass es Nacht ist, werden sie natürlich nachts um vier aktiv.“ Was soll eine Nachtschwester dann tun? Sie hat noch 30 andere Kranke.

Demente sind im Krankenhaus nicht sicher, so Isforts Fazit. Und auch der Mitpatient ist in Gefahr: Denn Demente können aggressiv werden, sogar gewalttätig. Also dürften sie keinesfalls unbeaufsichtigt sein. Man benötige Sitzwachen und Altenbetreuer. Das Personal gebe alles, „aber es kommt zu starker Überforderungen“.