Brüssel. . In Brüssel herrscht Rätselraten über den Umgang mit einem vielleicht bald unabhängigen Schottland. Offiziell ist kaum etwas zu diesem heiklen Thema zu hören. Zumal bald auch die Katalanen über einen Alleingang abstimmen wollen. Und in Spanien geht es beim Thema Unabhängigkeit noch hitziger zu als in Schottland.

Beim Wort „Schottland“ befällt die professionellen Auskunftgeber der EU-Zentrale eine Maulsperre. Was, wenn die Schotten sich am 18. September für den Abschied aus dem Vereinigten Königreich entscheiden? Können sie dann, wie beabsichtigt, weiter in der EU bleiben, oder müssen sie sich neu bewerben? Lassen sich allfällige Beitrittsverhandlungen bis zum angepeilten Datum der Abspaltung – März 2016 – abwickeln? Dazu war den Sprechern des EU-Kommissionschefs Barroso immer wieder nur zu entlocken, man mische sich nicht in innere Angelegenheiten der EU-Staaten. Oder wirke gar an spekulativen Szenarien mit.

Nebelkerzen. Dass erstmals in der Geschichte der EU einem Mitgliedsstaat der Verlust eines Landesteils droht, treibt die Verantwortlichen in Brüssel seit Langem um. Die muntere Formel, es handle sich nur um eine „innere Erweiterung“ der EU, trägt auch zur Entspannung bei. Und die Sache wird brenzlig: Seit dem Wochenende liegen die Separatisten bei den Meinungsforschern vorn. Noch ist der Vorsprung knapp.

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Vor einiger Zeit hat Kommissionspräsident Barroso in einem BBC-Interview erklärt, „selbstredend müsse ein unabhängiges Schottland sich erneut um das EU-Ticket bewerben und bedürfe dafür, wie alle anderen Kandidaten auch, der einhelligen Zustimmung der Alt-Mitglieder. Sprach’s und fügte unverblümt hinzu: „Ich glaube, das wird extrem schwierig, wenn nicht unmöglich, dass ein neuer Mitgliedsstaat, der aus einem unserer Länder hervorgeht, die Zustimmung der anderen bekommt.“

London überlässt den Schotten die Entscheidung

Ausdrücklich nannte der scheidende Kommissionspräsident in diesem Zusammenhang Spanien, das sich in Katalonien seinerseits einer zunehmend entschlosseneren Absetzbewegung gegenübersieht. Die Regierung in Madrid verweigert deswegen bis heute die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo – bloß keinen Präzedenzfall schaffen.

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Nur liegen die Dinge im Falle Schottlands im entscheidenden Punkt anders: Die Regierung Ihrer Majestät in London ist zwar prinzipiell stramm gegen den Austritt des Nordens aus dem Königreich, hat aber zugestimmt, die Entscheidung darüber dem schottischen Wähler zu überlassen.

Für die EU wäre das eine tolle Sache, meint Alyn Smith, der für die Scottish National Party im Europa-Parlament sitzt und ein leidenschaftlicher Befürworter der Unabhängigkeit ist. „Wir glauben an die Demokratie, und wir glauben an die EU – wir sind eine gute Nachricht!“

Schottland als Vorbild für die Katalanen?

Nicola McEwen, Verfassungsexpertin an der Uni Edinburgh, ist nicht ganz so überschwänglich. Was im Falle eines Falles genau passieren müsse, sei schwer abzusehen, denn „das EU-Recht hat da ein Loch“. Es werde aber nach erfolgreichem Referendum weitergehen wie bisher: „pragmatisch und friedlich“.

Das dürfte im Erfolgsfall auch die Katalanen beflügeln, die am 9. November über einen Alleingang abstimmen wollen. Und in Spanien geht es hitziger zu: Die Regierung in Madrid will von einem Volksentscheid nichts wissen und hat lediglich eine unverbindliche „Befragung“ genehmigt. Damit werden sich die katalanischen Nationalisten kaum begnügen, wenn eine Mehrheit für den Alleingang herauskommt. Derzeit liegen die Umfragen bei 50 zu 50.