Washington. .

Die grausame Nachricht platzte in Washington ins Mittagessen vieler Politiker und Regierungsangestellter. Danach musste sich manch einer übergeben. Mit Steven Sotloff, einem bekannten und geschätzten Reporter namhafter Magazine wie „Time“, „Christian Science Monitor“ und „Foreign Policy“ hat die radikalislamistische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nach James Foley wohl einen zweiten, lange in Geiselhaft gehaltenen Amerikaner exekutiert und das grausame Ende auf einem Video festgehalten.

Angriffe auf Ziele in Syrien?

Die Recherchen der auf dschihadistische Netzwerke spezialisierten Gruppe „Site“, die bis zum Dienstagabend vom Weißen Haus nicht amtlich bestätigt wurden, in Washingtoner Sicherheitskreise aber als „authentisch“ gelten, bringen US-Präsident Obama in schwere Bedrängnis. Sotloff war am Ende des Enthauptungsvideos von James Foley im Hintergrund als „der Nächste“ vorgeführt worden. „Das Leben dieses amerikanischen Bürgers, Obama, hängt von deiner nächsten Entscheidung ab“, sagt damals der Mörder in britisch gefärbtem Englisch. Sollten die USA an ihrem Vorgehen im Nordirak festhalten, sprich die Luftangriffe gegen IS-Stellungen nicht einstellen, müssten die Vereinigten Staaten damit rechnen, dass weitere Landsleute hingerichtet werden. Die Drohung wurde jetzt wohl auf grausame Weise wahrgemacht.

Bereits nach Foleys Enthauptung hatte Obama Vergeltung angekündigt, den IS mit einem „Krebs“ verglichen, der „zu entfernen ist“, und erklärt: „Wir werden unnachgiebig sein.“ Sotloffs Ermordung, so vermuteten Sicherheitsexperten, könnte nun eine schnelle Ausweitung der US-Luftangriffe zur Folge haben. Diese sind bislang auf IS-Stellungen im Irak beschränkt. Das US-Verteidigungsministerium arbeitet mit Hochdruck an Plänen, auch Ziele in Syrien anzugreifen, um den Vormarsch der Terrorgruppe zu stoppen.

In dem neuen Video sagt Sotloff, der an den Händen gefesselt ist, er müsse den Preis für die amerikanische Intervention bezahlen. Ein Mann, der eine schwarze Kapuze auf dem Kopf trägt, steht in dieser Szene hinter dem Journalisten und erklärt auf Englisch: „Hier bin ich wieder, Obama. Und ich bin wieder hier wegen deiner arroganten Außenpolitik gegenüber dem Islamischen Staat.“ Dann sagt der Täter: „Genau so wie eure Raketen unsere Leute treffen, wird unser Messer weiter die Hälse eurer Leute treffen.“ Sotloffs Mörder spricht in dem Video deutlich hörbar mit britischem Akzent.

Weitere Geiseln sind bedroht

In den USA stieß die Nachricht auf Abscheu und Entsetzen. Immer wieder erinnerten die Moderatoren der großen Fernsehsender an die Mutter des Opfers, Shirley Sotloff. Sie hatte sich erst vor wenigen Tagen in einem Video direkt und dramatisch an IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi, den selbsternannten Kalifen, gewandt. „Mein Sohn Steven ist in Ihren Händen“, sagte sie, „Sie, der Kalif, können Gnade walten lassen. Ich bitte Sie, mein Kind freizulassen. Ich bitte Sie, Ihre Autorität zu nutzen, um sein Leben zu retten.“

Eine denkwürdige Premiere. Nie zuvor hatte ein Nicht-Muslim al-Baghdadi als Kalifen anerkannt. Shirley Sotloff erklärt in ihrer Verzweiflung, dass sie seit der Gefangennahme ihres Sohnes im August 2013 den Islam intensiv studiert habe. Sie flehte: „Steven ist ein treuer, großzügiger Sohn, Bruder und Enkelsohn. Er ist ein ehrlicher Mensch, der sich vorgenommen hat, die Schwachen zu unterstützen. Wir haben Steven seit über einem Jahr nicht gesehen und vermissen ihn sehr. Wir wünschen uns, dass er gesund nach Hause kommt und wollen ihn in unsere Arme schließen.“

Der „Islamischer Staat“ hat anders entschieden. Und er hat weitere europäische und amerikanische Geiseln in seiner Gewalt.