Dresden/Berlin. . Die Rechtspopulisten von der AfD sind nun erstmals in einem Landtag vertreten. Die Liberalen stürzen ab. Sie fliegen aus Regierung und Parlament. Sachsen steuert auf eine Große Koalition zu.
Wahlsieger Stanislaw Tillich ließ sich nichts anmerken. Sein Koalitionspartner FDP ist in Sachsen gerade krachend aus dem Landtag geflogen, die letzte schwarz-gelbe Regierung in Deutschland ist am Ende. Dafür erobert die rechtskonservative AfD mit einem Sensationsergebnis erstmals den Landtag, und die CDU büßt Stimmen ein. Doch der smarte CDU-Ministerpräsident Tillich bleibt kühl: „Ein Superergebnis, es hat sich gelohnt“, sagt Tillich, als sei nichts passiert.
Klar, der 55-jährige Sorbe kann weiter regieren, die CDU stellt im Freistaat wohl wie immer seit 1990 den Ministerpräsidenten. Die kleine SPD steht als Juniorpartner bereit, vielleicht auch die Grünen. Aber in Wahrheit, das weiß auch Tillich, ist hier gerade etwas passiert, das die Politik nicht nur in Sachsen nachhaltig verändern wird. Nur gut ein Jahr nach ihrer Gründung hat es die eurokritische AfD in den ersten Landtag geschafft, jetzt hat die konservative Truppe eine Operationsbasis nicht nur im EU-Parlament, sondern auch im Inland.
Wähler empfänglich für nationalkonservative Parolen
„Die AfD ist angekommen in Deutschland“, jubelt Parteichef Bernd Lucke. Es war das Glück der sächsischen Spitzenkandidatin Frauke Petry, dass gerade sie den ersten Versuch unternehmen konnte: Im Freistaat sind traditionell vergleichsweise viele Wähler empfänglich für nationalkonservative Parolen, das machte sich Petry zunutze – mal plädierte sie für „Drei-Kind-Familien“ und scharfe Abtreibungsgesetze, mal forderte sie Volksabstimmungen über Minarette an Moscheen.
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Das wird nicht überall so verfangen wie in Sachsen; der so erzielte Schwung dürfte aber auch für einen Erfolg bei den Landtagswahlen in zwei Wochen in Thüringen und Brandenburg reichen. Als Koalitionspartner, so viel schien schon kurz nach Schließung der Wahllokale klar, kommt die AfD auch für Tillich nicht in Frage – im Wahlkampf hatte er sich das, aus taktischen Gründen, offen gehalten, gegen die klare Linie der Bundes-CDU.
Dies und sein Einlull-Wahlkampf haben der AfD aber nicht geschadet, sondern eher Tillich. Dessen Ergebnis ist nun das schlechteste für die CDU seit 1990. SPD-Chef Sigmar Gabriel, enttäuscht vom unerwartet schwachen Abschneiden der Sozialdemokraten, schimpfte, Tillich habe bewusst auf eine niedrige Wahlbeteiligung gesetzt, damit aber nur den rechten Rand gestärkt und der Demokratie einen Bärendienst erwiesen.
Tillichs Wahlkampf schadete FDP
Geschadet hat Tillichs stark personalisierter Harmonie-Wahlkampf wohl auch der FDP. Ihr Absturz geht weiter. Gescheitert ist damit der Versuch der Liberalen, sich durch größtmögliche Distanz von der Bundes-FDP zu retten. FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow hatte sich Besuche von FDP-Prominenz aus Berlin verbeten und ganz auf einen eigenen, wirtschaftsliberalen Kurs gesetzt. Ratlos und enttäuscht meinte er: „Wir zahlen in Sachsen den Preis für den Ansehensverlust der Bundespartei.“
Ist den Liberalen noch zu helfen? „Wir alle haben mitgefiebert, dass der sächsische Weg mit einem Erfolg belohnt wird“, erklärte FDP-Chef Christian Lindner. In Wahrheit kann er sich trösten, dass wenigstens diese Niederlage nicht ihm angelastet werden kann. Er hat ohnehin nicht an den schnellen liberalen Aufschwung-Ost geglaubt, die Hoffnungen richten sich eher auf spätere Landtagswahlen etwa in Baden-Württemberg. Aber vorerst dürfte die Depression der FDP bundesweit gefährlich voranschreiten.