Berlin. .

Erst dümpelte der Landtagwahlkampf in Sachsen vor sich hin, jetzt macht im Endspurt SPD-Chef Sigmar Gabriel persönlich Dampf. Knapp eine Woche vor der Wahl ging Gabriel gestern in Dresden den CDU-Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich scharf an und warf ihm vor, heimlich eine Koalition mit der „deutschnationalen“ AfD in Erwägung zu ziehen. „Dass er das nicht klar ausschließt, geht nicht“, schimpfte Gabriel nach einer Sitzung, zu der das SPD-Präsidium als Wahlkampfhilfe nach Dresden gereist war.

Nebenbei warf der SPD-Chef dem CDU-Regenten auch einen unfairen Umgang mit den Wählern vor – Tillich habe den Abstimmungstermin auf den letzten Tag der Sommerferien gelegt, um die Wahlbeteiligung gering zu halten.

Stramm konservativer Kurs

Erstaunlich scharfe Töne in einem Wahlkampf, in dem sich die kleine SPD in Sachsen eigentlich schon auf eine gar nicht so Große Koalition mit der CDU unter Tillich einrichtet. Aber Gabriels Attacke zeigt, wie hoch inzwischen auch bundespolitisch die Erwartungen sind an diese Landtagswahl nächsten Sonntag, die erste seit der Bundestagswahl: Die AfD wird dann ziemlich sicher zum ersten Mal in ein Landesparlament einziehen. In Sachsen fahren die Eurokritiker einen stramm konservativen Kurs, der auch Wähler am rechten Rand anspricht: Mal fordert Spitzenkandidatin Frauke Petry ein schärferes Abtreibungsgesetz oder postuliert das Ziel der „Drei-Kind-Familie“, mal fordert die Partei die Rückkehr zu ständigen Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen oder will Volksabstimmungen über Moscheebauten mit Minaretten.

Tillich hat ein klares Nein zu einer Koalition mit der AfD bisher vermieden. Doch ein Bündnis mit den Newcomern zieht der Ministerpräsident in Wahrheit nicht in Betracht, wie er gerade erst versicherte. Es würde auch von der Bundes-CDU kaum geduldet. Dass er auch ohne AfD Regierungschef bleibt, gilt als sicher.

Der 55-Jährige, seit 2008 im Amt, hat durch seine freundlich-unverbindliche Art Angriffsflächen minimiert und ist der mit Abstand beliebteste Landespolitiker. Der smarte Sorbe ist zwar kein Gestalter, er verwaltet nur das Erbe, das seine Vorgänger Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt mit solider Haushaltspolitik hinterließen.

Wechselstimmung kommt nicht auf, eher eine auch für Tillich gefährliche Politik-Müdigkeit: Sah es lange so aus, als könne er eine absolute Mehrheit einfahren, sinken die Umfragewerte für die CDU seit Wochen, jüngst sogar unter das letzte Ergebnis von 40,2 Prozent.

Auf jeden Fall braucht der Ministerpräsident einen Koalitionspartner, wahrscheinlich einen neuen: Dem Mitregenten FDP droht nach vier unauffälligen Jahren in der schwarz-gelben Koalition der Rauswurf aus dem Landtag. Bitter, da selbst die rechtsextreme NPD sich Hoffnung auf den Wiedereinzug ins Parlament machen kann. Stabil 3 bis 4 Prozent sagen die Demoskopen den Liberalen voraus. „Wir haben uns in Berlin angesteckt“, klagt FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow.

Wenig Chancen für Rot-Rot-Grün

Die SPD dagegen freut sich kaum verhüllt auf die Chance, die FDP zu beerben und – wie bis 2009 – mit der CDU zu koalieren. „Ich will, dass wir regieren“, sagt der 40-jährige SPD-Chef Dulig. Umfragen sagen den Sozialdemokraten zwar nur 14 bis 15 Prozent voraus, aber gemessen an den 10,4 Prozent vom letzten Mal wäre das ein Erfolg. Tillich zeigt sich offen für Schwarz-Rot, hält aber auch eine Koalition mit den Grünen für möglich. Die Grünen-Basis ist in dieser Frage tief gespalten. Rot-Rot-Grün ist erst recht keine realistische Option: Selbst wenn es rechnerisch reichen sollte, sind die Vorbehalte bei SPD und Grünen gegen ein Bündnis mit der Linken größer als anderswo. So deutet alles auf eine Große Koalition hin.