Peking. In Chinas Westen fließt immer mehr Blut. Jetzt geben die Behörden bekannt: Fast 100 Menschen starben bei einem Zusammenstoß in Xinjiang.
Die Gewalt in der muslimisch geprägten Region Xinjiang in Westchina hat mit 96 Toten bei einem Zwischenfall einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Behörden gaben nun erstmals Opferzahlen für den Zusammenstoß zwischen aufgebrachten Bürgern und Polizisten vor einer Woche bekannt, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Sonntag mitteilte. Demnach brachten mit Messern bewaffnete Angreifer 37 Zivilisten um, bevor Polizisten 59 von ihnen erschossen. Nach Darstellung von Uiguren im Exil demonstrierten ihre Landsleute dagegen gegen Unterdrückung, als die Polizei das Feuer eröffnete.
Wegen der Spannungen zwischen muslimischen Uiguren und Han-Chinesen gilt Xinjiang seit Jahren als Konfliktherd. Peking geht seit Mai mit einer Anti-Terror-Kampagne hart gegen Verdächtige vor.
Xinhua berichtete, die Angreifer hätten Straßensperren errichtet und andere Menschen gezwungen, sich an ihrem Kampf zu beteiligen. 215 Aufständische seien festgenommen worden. Die Behörden machen "Kräfte im In- und Ausland" für den Angriff verantwortlich. Die Unruhen hingen mit der Organisation "East Turkestan Islamic Movement" zusammen, die von China als Terrororganisation eingestuft wird.
Weltkongress der Uiguren fordert unabhängige Untersuchung
Der in Deutschland ansässige Weltkongress der Uiguren zweifelte die offizielle Darstellung an. "Es muss eine unabhängige internationale Untersuchung geben", forderte der Sprecher der Organisation, Dilxat Raxit, am Sonntag. Tatsächlich seien Uiguren gegen die Unterdrückung durch Sicherheitskräfte auf die Straße gegangen, anschließend sei die Situation eskaliert. Nun versuche die Regierung, die wahren Hintergründe zu vertuschen. "Wenn Peking nicht seine Politik der extremen Unterdrückung ändert, wird das zu weiteren Konflikten führen", sagte Dilxat Raxit. Ähnlich hatte sich auch die US-amerikanische Uyghur American Association geäußert.
Die Lage in Chinas Westregion Xinjiang ist sehr angespannt. Allein am Freitag erschossen Polizisten neun Verdächtige in der Präfektur Hotan. Zuvor hatten sich laut Xinhua 30 000 Freiwillige an einer Jagd auf die zur Fahndung ausgeschriebenen Männer beteiligt. Die Verdächtigen hätten sich in ein unbewohntes Haus in der Gemeinde Karakax geflüchtet und Sprengkörper auf die heranrückenden Freiwilligen und Polizisten geworfen. Dann seien die Verdächtigen erschossen worden. Kein Polizist oder Freiwilliger wurde verletzt.
Regierungstreuer Imam getötet
Am Mittwoch war ein als regierungstreu geltender Imam in der Stadt Kashgar umgebracht worden, in der Nähe einer der bekanntesten Moscheen Chinas. Die Polizei machte dafür religiöse Extremisten verantwortlich.
China hatte im Mai eine einjährige Anti-Terror-Kampagne in Xinjiang ausgerufen. Zuvor waren Angreifer mit Autos in einen Straßenmarkt in der Regionshauptstadt Urumqi gefahren und hatten Bomben in die Menschenmassen geworfen. Bei dem Terrorakt kamen 43 Menschen ums Leben. Seitdem wurden Hunderte Menschen für Terrorhandlungen wie die Verbreitung von Videos zu langen Haftstrafen verurteilt und einige hingerichtet. Im Sommer 2009 hatte es bei Zwischenfällen zwischen den Volksgruppen mehr als 200 Tote gegeben. (dpa)