Bochum. Die Bochumerin Ulrike Nefferdorf (70) kümmert und sorgt sich als Vormund um Hady Diallo, einen jungen Flüchtling aus Guinea. Mit 14 Jahren verließ er Eltern, Geschwister, Heimat. Bald wird er 18 Jahre alt, macht 2015 seinen Schulabschluss und will Sozialarbeiter werden.

Er war 14 Jahre alt, als er seine Mutter, seinen Vater, seine kleine Schwester und den Bruder zum letzten Mal fest umarmte und sein Dorf in Guinea für immer verließ. Seine Habseligkeiten hatten in einen kleinen Koffer und eine Umhängetasche gepasst. Das Gesparte seiner Familie war da längst an einen Schlepper gezahlt, der ihn nach Europa bringen sollte.

Als Hady Diallo nach langer Odyssee in Bochum ankam, war er nicht nur seinen Koffer los, der ihm gestohlen worden war, sondern alles, was ihm bis dahin vertraut war. Doch der minderjährige Flüchtling im septemberkalten Deutschland hatte Glück. Ein ehrenamtlicher Vormund nahm sich seiner an. „Ich bin kein Mutterersatz, aber ich kümmere mich“, sagt Ulrike Nefferdorf.

"Sie brauchen jemanden, dem sie vertrauen können"

Und das bereits im vierten Jahr, denn ihr Schützling wird bald 18 Jahre alt. Die Bochumerin, die ein einwandfreies Führungszeugnis vorlegen musste, ist eine von vielen ehrenamtlichen Vormündern, die sich im Rahmen des Projektes „Do It“ des Kinderschutzbundes Bochum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einsetzt.

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Was ein Vormund leisten muss, berichten Jutta Devantie und Nicole Quade vom Kinderschutzbund. „Die Kinder und Jugendlichen sind gerade in einer völlig fremden Umgebung und Kultur angekommen. Sie brauchen jemanden, dem sie vertrauen können und sie zu Ämtern begleitet.“ Der Umgang mit Ausländerbehörden oder Schulen sei ohne Unterstützung nicht leistbar. „Die Vormünder sehen, was ihr Mündel braucht.“ Etwa einen Praktikumsplatz, „da sind persönliches Interesse und natürlich Kontakte wichtig“. Von niemandem werde verlangt, einen Kinderflüchtling zuhause wohnen zu lassen, die Kinder sind in Wohngruppen untergebracht. In erster Linie gehe es um die Bereitschaft, Zeit zu investieren, die ein Flüchtling benötigt, um schwierige Situationen zu meistern.

In drei Monaten Deutsch gelernt

Hady Diallo und Ulrike Nefferdorf wissen genau, was damit gemeint ist. Als der damals 14-Jährige nach Bochum kam, musste er lernen, sich an Regeln zu halten. „Ich war die Überbringerin schlechter Nachrichten“, sagt die 70-Jährige Bochumerin. Hady lacht und meint: „Wir haben viel gestritten. Da war viel Mist", sagt er. Weil er die Ausgangszeiten seiner Wohngruppe nicht akzeptieren wollte, wurde er kurzerhand rausgeschmissen.

Damit verlor er seinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung, auf sein Bahnticket und somit konnte er auch nicht die Schule besuchen, in der er nach drei Monaten Deutsch gelernt hatte. In dieser Situation stand Ulrike Nefferdorf zur Seite. Auch nachts. „Ich habe auf ihn eingeredet und ihm klar gemacht, dass er sich an Spielregeln halten muss.“ Es hat funktioniert. Hady macht nächstes Jahr seinen Schulabschluss und möchte Sozialarbeiter werden. Der junge Mann ist seinem Vormund dankbar: „Es bedeutet viel für mich, hier jemanden zu haben.“ Ulrike Nefferdorf hat ebenfalls ein gutes Gefühl, „helfen zu können, ist gut. Auch, wenn es viel Nerven kostet.“

Kein Strom im Dorf

„Dieses Projekt ist vorbildlich, weil es junge Menschen tatsächlich integriert“, sagt Thomas Berthold, Referent beim Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. (B-UMF). Laut B-UMF gebe es trotz anderer Gesetzeslage immer noch Städte, die Kinderflüchtlinge ohne spezielle Betreuung in Gemeinschaftsunterkünften unterbringe. Da werde zwar ein staatlicher Vormund bestellt – aber nur einer für 50 Kinderflüchtlinge. In Guinea gibt es ethnische Konflikte, Gewalt, Armut. Hadys Dorf hat keinen Strom, seiner Familie kann er nicht schreiben, weil sie keine Postadresse hat. Hady ist verstummt. Ob er Heimweh hat? „Ich will meine Schwester wiedersehen.“