Tel Aviv/Gaza. . Ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht, die Fronten zwischen der palästinenischen Hamas und Israel sind weiter verhärtet. Ein diplomatischer Lösungsversuch von US-Außenminister John Kerry sorgte vor allem in Israel für Unmut, weil er auch der Hamas Erfolge beschere.

Auch dieses kleine Zeichen der Normalität war dem Nahen Osten Samstagabend nicht vergönnt: Die Polizei löste in Tel Aviv eine Demonstration tausender israelischer Kriegsgegner auf.

Grund für das Demonstrations­verbot war der Raketenbeschuss der Hamas, die damit einem zwölf Stunden langen humanitären ­Waffenstillstand ein Ende machte und so ausgerechnet die Menschen gefährdete, die Israels Militäroperation in Gaza aufhalten wollten. Die Islamisten machten klar: Vorerst wollen sie keine Waffenruhe.

Unmut über Kerry

Dabei hatte die Bevölkerung auf beiden Seiten die Kampfpause am Samstag dringend nötig: In Gaza nutzten die Menschen die Gelegenheit, um sich wieder mit Nahrungsmitteln und Wasser einzu­decken und die Schäden der vergangenen Wochen zu inspizieren. Rettungsdienste strömten in die Kampfzonen, um Verletzte zu evakuieren, und entdeckten dort ein Bild der Zerstörung: In Beit Hanun und Sadschaiya hatten die Kämpfe ganze Straßenzüge dem Erdboden gleichgemacht. Verwesungsgeruch hing in der Luft, als mehr als 100 Leichen aus den Trümmern geborgen wurden. Damit stieg die Opferzahl im Landstrich auf über 1050.

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Auf beiden Seiten hofften die Menschen auf eine Verlängerung der Waffenruhe. Israel verlängerte die Waffenpause trotz des Beschusses bis Mitternacht und stimmte danach einer weiteren 24 stündigen Kampfpause zu. Dennoch ­hagelte es pausenlos Granaten und Raketen aus dem Gazastreifen. Ein Soldat kam dabei ums Leben, das 43. Opfer auf israelischer Seite.

Um zehn Uhr morgens wies daraufhin Israels Regierung die Armee an, zurückzuschlagen. Innerhalb kurzer Zeit starben in Gaza wieder mindestens zehn Menschen durch israelische Angriffe, darunter auch ein hochrangiger Kommandeur der Hamas. Mittags überraschte die Hamas und verkündete um ein Uhr einen einseitigen Waffenstillstand, ab zwei Uhr Ortszeit, für 24 Stunden. Doch noch kurz nach 14 Uhr prasselten erneut Raketen auf israelisches Gebiet nieder, was Premier Benjamin Netanjahu zu dem zynischen Kommentar bewog: „Die halten sich nicht mal an ihren eigenen Waffenstillstand.“

Israel lehnt Kerrys Plan ab

Sonntagabend war kein Ende der Gewalt in Sicht. Ein diploma­tischer Plan des US-Außenministers John Kerry, den er mit Hilfe der Schutzmächte der Hamas Türkei und Katar formulierte, löste bei den Verbündeten der USA großen Unmut aus. Israel lehnte ihn ab, weil er auch der Hamas Erfolge bescherte.

Aber auch in Ramallah und in Kairo war man über Kerry verärgert, weil er die Rolle des pragma­tischen palästinensischen Präsidenten Abbas schmälerte statt ihm, wie ein voriger Vorschlag Ägyptens, den Rücken zu stärken. Man setze voll auf den Vorschlag Kairos, hieß es deswegen aus Jerusalem.

Gewalt droht überzugreifen

Derweil setzten israelische Truppen die Zerstörung des Tunnelsystem der Hamas im Gazastreifen fort. Kämpfer der Organisation hatten die Stollen dazu genutzt, um in Israel einzudringen. Netanjahu beschrieb sie deshalb als strategische Gefahr für sein Land. Israel will ­seine Truppen erst abziehen, wenn alle Tunnel zerstört sind.

In der Vergangenheit seien Hilfsgelder dazu missbraucht worden, um Tunnel zu graben. Ein Wiederaufbau Gazas müsste sicherstellen, dass die Hamas nie wieder auf­rüsten könne, so Netanjahu.

Die Gewalt droht auch ins Westjordanland überzugreifen. Zehntausende Palästinenser demonstrierten dort gegen Israels Militäroperation und lieferten sich ­Straßenschlachten mit der Armee. Dabei kamen mindestens acht ­Personen ums Leben.