Berlin. Es fehlen Erzieherinnen: Beim Ausbau der Kinderbetreuung müsse der Quantität jetzt die Qualität folgen, fordert die Bertelsmann Stiftung und hat eine neue Studie zum Thema vorgelegt. Ein angemessener Personalschlüssel würde in Nordhein-Westfalen demnach jährlich 766 Millionen Euro zusätzlich kosten.

Mehr Plätze für die Kinderbetreuung, aber viel zu wenig Pädagogen: In Kinderkrippen und Kitas müssten bundesweit 120.000 Erzieher zusätzlich eingestellt werden, um endlich eine gute frühkindliche Bildung zu sichern - allein in Nordrhein-Westfalen fehlen 17.500 Erzieher. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung hervor. In vielen Bundesländern bleibe die gute Qualität der Bildung auf der Strecke, weil die Betreuungsschlüssel der Länder erheblich vom pädagogischen Bedarf abwichen, warnt die Untersuchung. Dabei sei die Kitaqualität entscheidend für gutes Aufwachsen und faire Bildungschancen.

Nordrhein-Westfalen schneidet laut Studie bei den Krippen vergleichsweise gut ab: Die Experten empfehlen bei den unter Dreijährigen eine Erzieherin für höchstens 3 Kinder, in NRW-Krippen liegt das Verhältnis durchschnittlich bei 1 zu 3,6, womit Nordrhein-Westfalen in der Spitzengruppe der Länder liegt. Trüber ist das Bild bei den Kitas: Bei Kindern ab drei Jahren weist die Studie für NRW ein Betreuungsverhältnis von einer Erzieherin zu 9,6 Kindern aus, das drittschlechteste Ergebnis im Westen. Die Experten empfehlen dagegen einen Schlüssel von 1 zu 7,5.

Besprechungen, Fortbildung, Urlaub kosten Zeit

Die Studie betont, das Betreuungsverhältnis in den Einrichtungen sei im Alltag noch ungünstiger, weil Erzieherinnen aufgrund von Teamgesprächen, Fortbildung und Urlaub ein Viertel der Zeit gar nicht für die pädagogische Arbeit zur Verfügung stünden - so betreue ein Erzieher in den Krippen im Osten tatsächlich acht Kinder, im Westen 5 Kinder.

Vorzeigeländer bei den Kitas sind laut Untersuchung Bremen und Baden-Württemberg, Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern. Bei den Krippen machten die Experten ein regelrechtes Ost-West-Gefälle aus: In ostdeutschen Krippen - die für mehr Kinder eines Jahrgangs Plätze bieten als im Westen - sei die Relation noch ungünstiger als im Westen.

Einheitliche Qualitätsstandards notwendig

Die Schlussfolgerung der Experten ist einfach: Damit alle Kleinkinder unabhängig vom Wohnort gute Bildungschancen hätten, seien dringend bundesweit einheitliche Qualitätsstandards notwendig. Sie müssten in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt werden. „Der Kita-Rechtsanspruch hat die Bundesländer gezwungen, die Quantität der Kita-Plätze zu erhöhen. Nun muss für die Qualität gesorgt werden“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Für die Forderung der Experten nach bundesweit einheitlichen Standards ist eine politische Mehrheit allerdings nicht in Sicht. Die Studie gibt  aber zu bedenken, dass ohne stärkeres finanzielles Engagement des Bundes die zusätzlichen Kosten  auch für Nordrhein-Westfalen und seine Kommunen kaum zu stemmen seien. Allein im Land wären wohl zusätzliche Personalausgaben von 766 Millionen Euro jährlich notwendig, bundesweit sogar rund 5 Milliarden, was einen Kostenanstieg um ein Drittel bedeuten würde.