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„Es war die schlimmste Nacht im Gaza-Streifen seit vielen Jahren“, sagt Adel Zorob. Seine Stimme bebt am Telefon. „Seit 20 Uhr gibt es hier einen Raketen- und Panzerangriff nach dem anderen. So viele Tote und Verletzte liegen auf der Straße, es ist so furchtbar.“ Der Familienvater aus Gaza-Stadt, der zehn Jahre in Bochum gearbeitet und studiert hat, kann von einer Wohnung im 7. Stock die Raketen und Kämpfe sehen und hören.

Was der 43-Jährige beschreibt, ist das blutigste Wochenende in Nahost seit Beginn der israelischen Militär-Offensive: Bei Angriffen auf das Stadtviertel Sadschaija in Gaza starben nach palästinensischen Angaben bis Sonntagmittag mindestens 87 Menschen, mehr als 500 wurden zum Teil schwer verletzt.

86 tote Kinder

Augenzeugen berichten von schweren Zerstörungen in dem Viertel. Verletzte und Tote hätten lange auf den Straßen gelegen, bis sie während einer kurzen Feuerpause geborgen werden konnten. Unter den Toten waren ein palästinensischer Pressefotograf und ein Sanitäter - und wieder zahlreiche Kinder: Menschenrechtler in Gaza berichten, dass unter den fast 400 Toten seit Beginn der Militäroffensive vor knapp zwei Wochen 86 Kinder sind.

Die israelische Armee hatte ihre Offensive am Samstagabend massiv verstärkt und gab gestern bekannt, dass ihre Soldaten in Sadschaija zehn Tunneleingänge gefunden hätten. Über diese Tunnel dringen immer wieder bewaffnete Hamas-Kämpfer nach Israel ein, wie zuletzt am Samstagmorgen, als sie zwei israelische Soldaten töteten.

„In Sadschaija“, sagt Zorob, „wohnen aber auch Zehntausende Menschen. Die Häuser stehen dicht an dicht.“ Viele flohen vor den Angriffen in Panik aus ihren Häusern. Inzwischen wird vermutet, dass von den etwa 1,7 Millionen Palästinensern im Gaza-Streifen 130 000 auf der Flucht sind – ihre Zahl wächst von Tag zu Tag. Die meisten kommen bei Verwandten unter. Etwa 63 000 suchen Schutz in den Schulen der Vereinten Nationen.

Die Menschen können den Gaza-Streifen schon lange nicht mehr verlassen. Der einzig verbliebene Übergang nach Ägypten ist geschlossen. Der Gaza-Streifen, der nur 40 Kilometer lang ist, ist eine der am dichtesten bevölkerten Gegenden. Viele der Einwoh­ner sind Kinder und für viele von ihnen ist es der dritte Krieg, den sie erleben.

Auch Adel Zorobs kleine Tochter Zena ist schon eine Raketen-Expertin. „Sie ist erst fünf. Sie kann aber genau unterscheiden, ob eine Rakete vom Meer, vom Hubschrauber oder vom Panzer abgeschossen wurde.“ Für Zena hat der Vater die Wohnung im siebten Stock zum sichersten Ort auf der Welt erklärt, „was sie natürlich nicht ist“. Als vor wenigen Tagen eine Rakete in einem zehnstöckigen Haus nebenan einschlug, dachte ich, jetzt ist es passiert. Aber wir hatten Glück.“ Die Familie hat die Matratzen aus den Betten geräumt und an die Wand unters Fenster gelegt. „Zena weint und schreit viel: Und sie will endlich mal wieder nach draußen.“ Doch der Vater verbietet das. Erst vor wenigen Tagen hatte eine Rakete vier spielende Kinder getötet. „Wir müssen stark sein, aber es ist so schwer.“

Kaum Strom, kein Wasser

Seit drei Tagen gab es insgesamt nur vier Stunden Strom. Adel Zorob hat in Bochum und Dortmund Maschinenbau und Ingenieurstechnik studiert. Das hilft ihm, wenn er mit Hilfe einer Autobatterie eine Stromquelle bastelt. Gegen die zusammengebrochene Wasserversorgung aber ist er machtlos: „Es ist furchtbar ohne Wasser.“

Er lässt die Freunde und Verwandten in Bochum grüßen. „Ich habe während des Studiums bei Opel gearbeitet und bei Bosch, ich denke gerne daran zurück.“ Seit 1999 lebt er auf Wunsch seiner Eltern wieder in Gaza. „Wenn der Krieg vorbei ist, dann würde ich gern mal wieder zu Besuch kommen“, sagt er. „Ich hänge an dieser Stadt.“ Könnte das bald sein? Adel schweigt eine Weile. „In ein paar Monaten“, sagt er, „vielleicht“. Noch sei der Krieg nicht vorbei. Und dann hat er noch eine Bitte: „Denkt an uns. Betet für uns.“