Tel Aviv/Gaza/Kairo.
Krieg statt Entspannung: Nach einer humanitären Feuerpause hat Israel am späten Donnerstagabend eine Bodenoffensive gegen den Gazastreifen eingeleitet. Das teilte das Militär am Abend mit. Damit habe eine „neue Phase“ in der vor zehn Tagen gestarteten Operationen gegen militante Palästinenser in der Mittelmeerenklave begonnen. „Das Ziel ist die Wiederherstellung von Sicherheit und Ruhe im Staat Israel“, erklärte Armeesprecher Peter Lerner. Zugleich solle der Infrastruktur der militant-islamischen Hamas ein „empfindlicher Schlag verpasst“ werden.
Befehl von Netanjahu
Der Befehl kam von Regierungschef Benjamin Netanjahu. „Der Premierminister und der Verteidigungsminister haben die Streitkräfte angewiesen, heute Nacht eine Bodenoffensive zu beginnen, um die Terrortunnel zu treffen, die vom Gazastreifen in israelisches Gebiet reichen“, heißt es in einer Mitteilung aus dem Büro des Premiers.
Schon kurz zuvor hatte Israel die Angriffe auf den palästinensischen Gazastreifen massiv verstärkt. Artillerie, Kampfhubschrauber und Kriegsschiffe feuerten auf Ziele in den Ortschaften Beit Hanun und Beit Lahia im nördlichen Gazastreifen, berichtete die Webseite „ynetnews“. Augenzeugen berichteten, dass der Himmel über dem Gebiet immer wieder von Leuchtmunition erhellt wurde.
Die neue Eskalation erfolgte am Ende eines Tages, an dem es zunächst Signale der Entspannung gegeben hatte. Beide Seiten hielten eine fünfstündige humanitäre Waffenpause ein, die von UN-Organisationen vorgeschlagen worden war und dazu diente, den notleidenden Gazastreifen mit Hilfslieferungen zu versorgen.
In der Nacht zuvor war in Kairo eine erste indirekte Gesprächsrunde zwischen israelischen Regierungsvertretern und Hamas-Unterhändlern zu Ende gegangen. Doch nach Verstreichen der Waffenpause am Nachmittag feuerte die Hamas nach Zählung des israelischen Militärs mehr als 100 Raketen auf Israel ab.
Palästinensische Rettungsdienste berichteten am späten Donnerstagabend von mindestens drei Toten, darunter ein Kind. Die Zahl der Todesopfer seit Beginn der israelischen Offensive vor zehn Tagen erhöhte sich nach diesen Angaben auf 240. 1800 weitere Palästinenser wurden demnach verletzt.
Auslöser der jüngsten Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur. Die israelische Justiz klagte am Donnerstag die mutmaßlichen Mörder des palästinensischen Jungen an. Laut einer Mitteilung des israelischen Justizministeriums handelt es sich um einen 29-Jährigen aus einer jüdischen Siedlung im Westjordanland und zwei 16-jährige Religionsschüler aus Jerusalem und Beit Schemesch.
Tunnelausgang bombardiert
Am frühen Morgen verhinderte die israelische Armee nach eigenen Angaben einen massiven Angriff von Militanten an der Grenze zum Gazastreifen. 13 schwer bewaffnete Palästinenser seien durch einen Tunnel etwa 250 Meter weit nach Israel vorgedrungen, sagte Armeesprecher Lerner. Die Luftwaffe habe den Tunnelausgang auf der israelischen Seite bombardiert und damit eine Attacke auf den nahe gelegenen Kibbuz Sufa vereitelt.
Ein von der Armee veröffentlichtes Video zeigt, wie die Palästinenser zum Tunnelausgang zurücklaufen und dieser von einer Luft-Boden-Rakete in dem Augenblick getroffen wird, in dem der letzte Angreifer im Tunnel verschwunden ist. Das Militär erklärte später, keine Leichen von möglicherweise getroffenen Militanten gefunden zu haben. Die Hamas behauptete, dass der Trupp nach erfüllter Mission vollständig und unversehrt zurückgekehrt sei.