Tel Aviv/Gaza. Nach dem Mord an einem palästinensischen Teenager hat die israelische Polizei sechs jüdische Tatverdächtige festgenommen. Polizeisprecher Mickey Rosenfeld bestätigte am Sonntag, man gehe von einem “nationalistischen Motiv“ für die Tat aus.
Einige der Verdächtigen seien dem Gericht vorgeführt worden, um die Dauer der Untersuchungshaft zu verlängern, berichtete die Zeitung "Haaretz". Familienangehörige des ermordeten 16-Jährigen hätten erklärt, sie seien bislang nicht über die Festnahmen informiert worden, obwohl ihnen die Polizei versprochen habe, sie würden als erste über jede Entwicklung unterrichtet.
Der am Mittwoch tot aufgefundene 16-jährige Mohammed Abu Chedair war nach Palästinenserangaben bei lebendigem Leibe verbrannt worden, nachdem er einen heftigen Schlag auf den Kopf erhalten hatte. In Luftröhre und Lunge des Teenagers seien Spuren von Rauch gefunden worden, teilte der palästinensische Generalstaatsanwalt nach einem vorläufigen Autopsiebericht mit. Von israelischer Seite gab es für die Schlussfolgerungen keine Bestätigung.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eine internationale Untersuchung des Mordes. Radikale jüdische Siedlergruppen müssten als Terrororganisationen eingestuft werden, sagte er bei einem Treffen mit dem UN-Gesandten Robert Serry in Ramallah.
Der Mord an dem jungen Araber sowie vorher an drei jüdischen Teenagern hatte einen der schlimmsten Gewaltausbrüche in Israel seit Jahren ausgelöst. Israels Luftwaffe und die im Gazastreifen herrschende Hamas setzten ihren Schlagabtausch am Sonntag trotz ägyptischer Bemühungen um eine Waffenruhe fort. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mahnte zu Zurückhaltung im Konflikt mit den Palästinensern.
Israel leitete eine Untersuchung von Vorwürfen ein, Grenzpolizisten hätten einen palästinensischen US-Staatsbürger verprügelt. Bei dem Prügelopfer handelte sich nach den Berichten um den Cousin des ermordeten 16-jährigen Palästinensers. Israelische Medien zeigten am Wochenende ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Polizisten auf eine auf dem Boden liegende Person einschlagen und -treten.
In sozialen Netzwerken kursierten Bilder des 15-jährigen Cousins mit geschwollenem Gesicht. Nach seiner Festnahme am Donnerstag wurde er am Sonntag wieder auf freien Fuß gesetzt. Das Washingtoner Außenministerium verlangte eine rasche Untersuchung des Vorfalls. Israelische Medien zitierten Vertreter der Grenzpolizei mit dem Vorwurf, das Video sei "manipuliert" worden.
Erstmals seit dem letzten großen Schlagabtausch zwischen Hamas und Israel im November 2012 wurde am Samstagabend wieder die israelische Wüstenstadt Beerscheva beschossen. Auch nach Ablauf eines israelischen Ultimatums am Samstag feuerten militante Palästinenser weiter Raketen auf israelische Ortschaften. Auch am Sonntag gab es neue Geschosse.
Israels Luftwaffe griff in der Nacht zum Sonntag erneut Hamas-Ziele im Gazastreifen an. Beide Seiten betonen allerdings, sie seien nicht an einer weiteren Eskalation der Lage interessiert. Nach Medienberichten vermittelt der ägyptische Geheimdienst im Bemühen um eine Wiederherstellung der Ruhe zwischen beiden Seiten.
Auch an mehreren Brennpunkten in Israel kam es zu Ausschreitungen wütender arabischer Bürger. In arabischen Ortschaften im Norden Israels, darunter Nazareth, bewarfen Demonstranten Polizisten mit Steinen und Brandflaschen. Sie versuchten, Straßen zu blockieren und es gab Berichte über Angriffe auf jüdische Autofahrer. Die Szenen erinnerten an gewaltsame Proteste zu Beginn des Palästinenseraufstands im Herbst 2000. Damals waren 13 israelische Araber von der Polizei getötet worden.
Zwei Monate nach dem Mord an einer 19-Jährigen im Norden Israels teilte die Polizei mit, ein arabischer Taxifahrer werde der Tat verdächtigt. Der 34-Jährige aus Iblin östlich von Haifa habe den Mord im Verhör gestanden. Der Hintergrund sei noch nicht zweifelsfrei geklärt, man gehe jedoch von einem "nationalistischen Motiv" aus.
Die jüngste Welle der Gewalt nährt die Sorge vor einem neuen Palästinenseraufstand. "Die Erfahrung lehrt, dass man in solchen Momenten mit Selbstkontrolle und Verantwortung vorgehen muss, ohne Hetze und übertriebene Hast", sagte Netanjahu am Sonntag bei einer Regierungssitzung in Jerusalem zu der Lage in der Region. Er rief arabische Würdenträger dazu auf, sich für eine Mäßigung einzusetzen. "Wer gegen das Gesetz verstößt, wird festgenommen und hart bestraft", drohte Netanjahu gleichzeitig.