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Schon wieder eine Fünf in Französisch. Und in Chemie ist auch nichts mehr zu retten: Wenn im Laufe des Schuljahres abzusehen ist, dass es schwierig werden könnte mit der Versetzung, dann reicht es längst nicht mehr aus, blaue Briefe zu schreiben. „Lehrer müssen Förderkonzepte erstellen und mit dem betreffenden Schüler und seinen Eltern Zielvereinbarungen treffen“, erklärt Peter Silbernagel, Präsident des Philologenverbandes NRW.
Es macht Mühe, schlechte Noten zu geben. Denn was unternommen wurde, muss obendrein dokumentiert werden. Noch größer ist der Aufwand, wenn ein Lehrer der Meinung ist, der Schüler solle statt des Gymnasiums künftig eine Realschule besuchen. Silbernagel nennt es „die Gefahr der überbordenden Bürokratie“. „Wenn der Aufwand groß ist, werden Lehrer schnell verleitet, doch noch eine Vier zu geben.“ Und darunter könne natürlich das Niveau leiden.
Andrang auf Gymnasien
Genau davor haben die in der Landeselternschaft der Gymnasien organisierten Mütter und Väter Angst. Sie befürchten, dass Kinder, die den Anforderungen nicht gewachsen sind, durchgeschleust werden.
Tatsächlich ist der Andrang auf das Gymnasium ungebrochen; fast jeder zweite Viertklässler wechselt nach den Sommerferien auf diese Schulform. Ob die Grundschullehrerin eine Empfehlung ausgesprochen hat, spielt keine tragende Rolle mehr. Die Eltern entscheiden allein über die weiterführende Schule.
Zahl der Sitzenbleiber sinkt
Gleichzeitig sinkt die Zahl der Sitzenbleiber seit 2004 kontinuierlich, ebenso wird es immer seltener, dass Gymnasiasten auf Real- oder Hauptschulen geschickt werden. Während 2004 noch 2,4 Prozent der Gymnasiasten in der Sekundarstufe 1 wiederholen mussten, waren es im Schuljahr 2012/2013 nur noch 1,4 Prozent. An den Realschulen sank die Quote von 4,1 auf 3,2 Prozent, an den Hauptschulen stieg hingegen die Zahl von 5,0 auf 5,4 Prozent.
Die niedrige Quote der Gymnasien sieht Ralf Leisner, Vorsitzender der Landeselternschaft Gymnasien, zwar als großen Erfolg. „Die Gymnasien sind die Schulform, die am stärksten integriert“, sagt er – obwohl die Lehrpläne keinerlei Rücksicht darauf nähmen, dass die Begabungen inzwischen höchst unterschiedlich seien.
Doch selbst bei der besten individuellen Förderung: „Es gibt Kinder, die tragen ihr ganzes Schulleben die rote Laterne. Das ist beschämender für sie, als wenn sie einmal wiederholen oder gar die Schulform wechseln“. Für manche Schüler sei es sinnvoll, den Stoff ein zweites Mal zu erarbeiten und das soziale Milieu der Klasse zu wechseln. „Oft gehen schlechte Noten und ein großes Unbehagen in der Klasse einher.“
"Teure Zeitverschwendung"
Für Bildungsforscher Klaus Klemm ist Sitzenbleiben hingegen teure Zeitverschwendung. Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung errechnete er, dass die Bundesländer zwar knapp eine Milliarde Euro für die Wiederholer ausgeben.
Die wenigsten könnten jedoch dadurch ihre Leistungen verbessern. Peter Silbernagel hält seit dem Pisa-Schock vom Jahr 2001 die Effizienz des Sitzenbleibens für fraglich, doch den Qualitätsverlust befürchtet auch er, wenn völlig darauf verzicht würde.
Acht von zehn Schülerinnen und Schüler lehnen nach Umfragen das Sitzenbleiben generell ab. „Der Weg darf nicht das Aussortieren sein, sondern die individuelle Förderung“, sagt Tom Josten von der Landesschülervertretung NRW. „Wer sitzenbleibt, trägt das Stigma des Scheiterns.“