Düsseldorf. . Die schwere Niederlage der rot-grünen Landesregierung vor dem NRW-Verfassungsgerichtshof hat offenbar Folgen für zahlreiche Kulturschaffende, Lehrer, Vereine, Verbände und Förderprojekte. Das ergibt sich aus der Haushaltssperre, die NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) unmittelbar nach dem Urteil zum Besoldungsgesetz verhängt hat. Was bedeutet das für geplante Investitionen?

Nach der Pleite vor dem NRW-Verfassungsgericht muss die rot-grüne Landesregierung rund 226 000 Beamten nachträglich für zwei Jahre Gehaltszuschläge gewähren. Da dies den Landesetat mit einer gewaltigen dreistelligen Millionensumme belasten dürfte, hat Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) umgehend eine Haushaltssperre verhängt. Dieser Ausgabenstopp wirft Fragen auf:

Was bedeutet die Haushaltssperre des Landes?

Der Finanzminister hat alle freiwilligen Ausgaben des Landes mit sofortiger Wirkung gesperrt. Als „freiwillig“ bezeichnet man Zahlungen, zu denen das Land nicht durch Verträge oder Gesetze (wie bei Gehältern, Sozialleistungen oder Zuweisungen an Kommunen) zwingend verpflichtet ist.

Gibt es Ausnahmen?

Das Land will trotz der Sperre 3000 frei werdende Lehrerstellen neu besetzen. 1400 Anwärter auf eine Stelle im öffentlichen Dienst sollen übernommen werden. Auch bei Polizei, Justiz und Finanzverwaltung sollen Neueinstellungen möglich bleiben. Begonnene Baumaßnahmen werden weitergeführt. Die Co-Finanzierung bei Projekten, die von EU oder Bund mitgefördert werden, ist ebenfalls gesichert. Bereits bewilligte Bescheide werden nicht infrage gestellt.

Wo ist die Haushaltssperre zu spüren?

Das Land kann grundsätzlich keine neuen Förderzusagen mehr machen oder finanzwirksame Entscheidungen treffen. Größere politische Vorhaben wie der Hilfsfonds für die Folgen des Unwetters „Ela“ sind davon nicht betroffen, weil er von der Landesregierung als Ausnahme angesehen wird und vom Landtag als Gesetzgeber beschlossen werden soll. Viele kleinere Förderentscheidungen etwa im Bereich Bau, Wohnen, Verkehr, Sport oder Soziales liegen dagegen auf Eis. Innerhalb des öffentlichen Dienstes gilt ein Beförderungsstopp, etwa bei Schulleiterstellen.

Löst die Haushaltssperre die rot-grünen Finanzprobleme?

Nein. Experten schätzen, dass durch den Ausgabenstopp im Haushaltsvollzug maximal 100 Millionen Euro gespart werden können. Allein das Beamtenurteil kostet Rot-Grün in diesem Jahr aber einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Zudem entwickeln sich die Steuereinnahmen nicht nach Wunsch. NRW kassierte gegenüber 2013 im ersten Halbjahr nur ein Steuerplus von 0,9 Prozent, einkalkuliert sind aufs ganze Jahr rund fünf Prozent. Wenn es so weiter geht, könnten laut CDU-Finanzexperte Marcus Optendrenk am Ende des Jahres 1,8 Milliarden Euro fehlen. Zudem hat Rot-Grün pauschal 800 Millionen Euro Minderausgaben und 300 Millionen Euro Mehreinnahmen eingeplant, die noch nicht erwirtschaftet sind.

Was geschieht nun mit der Beamtenbesoldung?

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat klargestellt, dass alle Staatsdiener der Besoldungsstufen bis A10 die Einkommenserhöhung von 5,6 Prozent für die Jahre 2013 und 2014 behalten dürfen. Für die Besoldungsstufen A11 und A12, die nur zwei Prozent erhielten, muss ebenso nachgebessert werden wie für die Nullrunden ab A13. Die Gewerkschaften fordern 5,6 Prozent für alle, die Regierung will einen „gleitenden“ Anstieg, den das Verfassungsgericht für machbar erklärt hatte. Die Verhandlungen sollen nach den Sommerferien beginnen, das Gesetz bis Ende des Jahres stehen. Die Beamten können dann mit Nachzahlungen für zwei Jahre rechnen.

Will die Landesregierung noch mehr Schulden machen?

Eine Erhöhung der Neuverschuldung in diesem Jahr scheint unausweichlich. Dabei plant NRW trotz Rekordeinnahmen und Niedrigzinsen ohnehin schon mit neuen Krediten über 2,4 Milliarden Euro. Ministerpräsidentin Kraft sieht offenbar keine Möglichkeiten zum beherzten Personalabbau im öffentlichen Dienst, der mehr als 40 Prozent des Landesetats verschlingt: Wenn man Polizei, Justiz, Schule und Finanzverwaltung ausklammere, blieben in der allgemeinen Verwaltung gerade einmal 30 686 Stellen, so Kraft. FDP-Chef Christian Lindner fürchtet im Umkehrschluss eine „rot-grüne Steuererhöhungsorgie“ und warnt vor einem weiteren Heraufsetzen der Grunderwerbsteuer.