Münster/Düsseldorf. . Mit der Landesverfassung ist es nicht vereinbar, dass höhere Beamte von Besoldungserhöhungen ausgenommen werden. Das entschied das Gericht und bescherte Rot-Grün eine teure Niederlage. Denn der Tarifabschluss des Öffentlichen Dienstes von 5,6 Prozent muss für alle Staatsdiener gelten.
Zu allem Unglück muss sich Norbert Walter-Borjans auch noch vor dieser Kulisse erklären. Der NRW-Finanzminister steht im lichtdurchfluteten Foyer des Münsteraner Verfassungsgerichtshofs vor einer Skulptur des südkoreanischen Künstlers Ung-Pil Byen, die einen nachdenklich kauernden, ziemlich ratlosen Menschen zeigt. Ausgerechnet hier soll Walter-Borjans sagen, warum er vor dem höchsten NRW-Gericht die vierte und wohl teuerste Niederlage seiner erst vierjährigen Amtszeit kassiert hat.
Die Richter haben formal nur ein Besoldungsgesetz für nichtig erklärt. Doch die politischen Folgen sind kaum absehbar. Rot-Grün wollte erstmals nennenswert im Personaletat sparen, der rund 40 Prozent des Landeshaushalts ausmacht.
700 Millionen Euro gespart
Also verfiel die Regierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf die Idee, den Tarifabschluss des Öffentlichen Dienstes mit 5,6 Prozent Gehaltszuwachs für die Jahre 2013 und 2014 nur auf die untere Beamtenschaft zu übertragen.
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Die Besoldungsstufen A11 und A12, also viele Polizisten und Justizangestellte, sollten sich mit einem Plus von nur zwei Prozent begnügen, und all die Studienräte, Staatsanwälte oder Richter mit A13 aufwärts leer ausgehen.
Diese Einsparungen von insgesamt 700 Millionen Euro jährlich bei 226.000 Landesbeamten sollten helfen, das verfassungsrechtliche Neuverschuldungsverbot ab 2020 zu erreichen. Doch daraus wird nun nichts. Das Sparopfer, das sich Walter-Borjans für die nach seiner Einschätzung noch immer gut dotierten und privilegierten Staatsdiener ausgedacht hatte, ist mit der Verfassung nicht vereinbar.
Gericht spricht von "willkürlich gezogener Grenze"
Gerichtspräsidentin Ricarda Brandts gestand der Regierung zwar zu, bei der Besoldung einen „weiten Gestaltungsspielraum“ zu haben und bei Einkommenserhöhungen eine soziale Staffelung vornehmen zu dürfen.
Man könne aber nicht ab einer willkürlich gezogenen Grenze eine Nullrunde verordnen. Grundsätzlich sei das Land verpflichtet, die Bezüge seiner Beamten an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung anzupassen – oder Kürzungen wegen nachgewiesener „Überalimentation“ vorzunehmen. Ein Sowohl-als-auch-Gesetz geht nicht.
Aus allen Reaktionen von Gewerkschaften und Verbänden sprach Genugtuung über die „schallende Ohrfeige“ und „saftige Klatsche“, die sich Rot-Grün eingehandelt hat. Bis heute wirkt bei den Beamten und ihrer Lobby nach, dass sich die rot-grüne Koalition jedem Gespräch über eine „faire Lösung“ verweigert habe, bevor sie im Frühjahr 2013 ihren Tarifbeschluss auf den Weg brachte. „Dem Gesetzgeber hätte diese Schlappe vor Gericht leicht erspart werden können“, folgerte DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber.
Nachtragshaushalt mit neuen Schulden unausweichlich
Der Vorwurf, ausgerechnet die sonst arbeitnehmerfreundlich gestimmte Regierung Kraft habe mit „Basta-Politik“ viel Vertrauen verspielt, begleitete den erbitterten Widerstand gegen Nullrunden. „Das darf sich nicht wiederholen“, mahnte Dorothea Schäfer für die Lehrergewerkschaft GEW. Insgesamt hatten über 100.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst Widerspruch gegen das Gesetz eingelegt.
Während man sich im Regierungslager am Dienstag auffällig bedeckt hielt, drängte auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf schnellstmögliche Gespräche. Dabei lässt Landeschef Arnold Plickert dem SPD-Finanzminister wenig Raum – er forderte, den Tarifabschluss für alle Beamten zu übernehmen. „Ein Hinweis auf die allgemeine Haushaltslage und die Schuldenbremse reicht nicht aus, um den Beamten weitere Sonderopfer abzunötigen“, machte Plickert klar.
Für Walter-Borjans wird es also eng, wenn er sich nach der Sommerpause an die Gesetzesarbeit macht. Ein Nachtragshaushalt mit neuen Schulden scheint unausweichlich. Vorsorglich gab ihm Beamtenbund-Chef Roland Staude die Forderung mit auf den Weg, die Regierung dürfe die Ausgaben für eine „echte“ 1:1-Übertragung des Tarifergebnisses nicht durch Stellenabbau kompensieren. Für die GEW legte Schäfer nach, „bildungsfeindliche Stellenstreichungen“ seien keine Alternative zu der vor Gericht gescheiterten Politik.