Essen. Die Schäden, die das Stumtief Ela in Nordrhein-Westfalen angerichtet hat, werden wohl deutlich über 100 Millionen Euro liegen. Allein die Stadt Essen beziffert den Schaden auf 61 Millionen Euro. Experten warnen: “ „Solche Wetterphänomene werden langfristig häufiger in Deutschland.“

Peter Höppe spricht ruhig, aber seine Botschaft ist beunruhigend. „Wetterphänomene wie das Sturmtief Ela werden langfristig häufiger in Deutschland. Auch die Schadensummen steigen“, sagt der Wetterforscher in Diensten des Versicherungskonzerns Munich Re.

Auch der milliardenschwere Münchener Konzern beschäftigt sich mit den Folgen des Orkans, der am Pfingstmontag in NRW ei­ne Schneise der Verwüstung hinterlassen hat. Zehntausende Bäume sind umgeknickt, Hunderte Autos zerstört, Dächer wurden abgedeckt, Keller liefen voll. Allein die Stadt Essen beziffert den Schaden, der ihr entstanden ist, auf mehr als 61 Millionen Euro. Das Land NRW will den sturmgeschädigten Kommunen helfen. Wie viel Geld fließt, ist aber noch unklar.

Über 100 Millionen Euro Schäden

„Schon jetzt lässt sich an den Meldungen einzelner Versicherer absehen, dass die Schäden durch Ela deutlich über 100 Millionen Euro liegen werden“, berichtet Höppe im Gespräch mit dieser Zeitung. Das Risiko, dass es zu ähnlichen Unwettern auch in NRW komme, sei groß.

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Munich Re verfügt nach eigenen Angaben über die weltweit größte Schaden-Datenbank zu Naturgefahren – und stellt fest: Im Vergleich zu den frühen 1970er-Jahren gibt es heute in Deutschland dreimal so viele Unwetter. „Waren es in der Vergangenheit etwa zehn Ereignisse pro Jahr, zählen wir mittlerweile rund 30“, sagt Höppe. „Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.“

Die Wettermaschine läuft schneller

Der Wissenschaftler, der den Bereich Geo-Risiko-Forschung von Munich Re leitet, hat Meteorologie und Humanbiologie studiert und in Physik promoviert. Bevor er zum Konzern wechselte, lehrte und forschte er an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Dass es viel häufiger als in der Vergangenheit zu starken Gewittern kommt, lasse sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf den Klimawandel zurückführen, sagt Höppe.

„Die Weltmeere erwärmen sich, es verdunstet mehr Wasser. Wenn der Wasserdampf kondensiert und sich Wolken bilden, wird die Verdunstungsenergie in der Atmosphäre freigesetzt. Dadurch entsteht ein großes Energiepotenzial. Salopp gesagt: Die ganze Wettermaschine läuft einen Gang höher.“

Risiko steigt

Das hat Folgen. Der weltweit teuerste versicherte Unwetterschaden im vergangenen Jahr entstand am 27. und 28. Juli in Deutschland, als Hagelkörner, die größer waren als Tennisbälle, auf das Land niederprasselten. Besonders hart traf es Baden-Württemberg sowie Wolfsburg und Hannover. Tausende Autos und Häuser wurden beschädigt. Schadensumme: 3,6 Milliarden Euro. Durch das Schwergewitter Hilal, das 2008 auch über NRW hinweggefegt ist, sind Schäden in Höhe von 1,1 Milliarden Euro entstanden.

Der bisher teuerste Wintersturm Kyrill hat 2007 Gesamtschäden in Höhe von 4,2 Milliarden Euro verursacht. „Die starken Schäden durch das Sturmtief Ela zeigen: Auch NRW kann von starken Gewittern betroffen sein, ebenso wie alle anderen Regionen Deutschlands“, sagt Höppe.

Versicherung für Länder und Städte

In anderen Ländern der Welt gebe es bereits Unwetter-Versicherungen für den Staat, erklärt Höppe. In Mexiko beispielsweise existiert ein Naturkatastrophen-Pool, auch die Inselstaaten der Karibik haben sich für den Fall versichert, dass ein Hurrikan über sie hinwegfegt. „Es wirft Länder erheblich zurück, wenn sie selbst für die Schäden aus einer Naturkatastrophe aufkommen müssen. Schließlich kostet die Schadenbeseitigung Geld, das beispielsweise durch Steuererhöhungen oder mehr Verschuldung in die öffentlichen Kassen zurückfließen muss.“

In Deutschland versichere sich der Staat traditionell nicht. „Doch womöglich gibt es mit der Zunahme von Naturkatastrophen auch hier ein Umdenken“, vermutet Höppe. „Auch die Städte in NRW könnten sich künftig versichern, um die finanziellen Risiken durch Unwetterschäden zu begrenzen. Ähnliche Versicherungsmodelle wären auch für Bund und Land denkbar.“ In Düsseldorf und Essen sei sichtbar, wie schnell und stark das Stadt-Budget durch Unwetterschäden belastet werden kann.

Etwas Trost für NRW hat Höppe auch parat, denn anderswo könnte es noch schlimmer kommen: „Im bundesweiten Vergleich ist das Unwetterrisiko in Baden-Württemberg und speziell in Baden angesichts der hohen Temperaturen im Südwesten besonders groß.“