Hagen. .

Kein Heroin. Keine gefälschten Medikamente. Vielleicht ist es aber doch ein ganz „großer Fisch“, den die Zollfahndung im Hamburger Hafen an Land gezogen hat: 14 000 Bank-Unterlagen in 1000 Kartons, unterwegs nach Genf oder einen anderen „Datenaufbewahrungsort“ in der Schweiz. Wieder zittern Steuersünder. Doch viele Fragen sind noch offen.

Wann kam es zu dem Fund?

Mit dem Hinweis auf ein „laufendes Verfahren“ gibt es dazu keine Aussagen deutscher Behörden. Nach dem Bericht der „Welt am Sonntag“ ist der Frachter „EM Corfu“ einer griechischen Reederei in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai in der Hansestadt eingelaufen. Er kam von den Cayman ­Islands, wo die Container geladen wurden, mit einem Zwischenstopp in Jamaika. Der Zoll fahndet an den Hamburger Kaianlagen meist nach Rauschgift, Plagiat-Produkten oder geschützten Tieren und macht Stichproben, in dem er ausgewählte Container öffnet. Dabei sollen die Kartons aufgefallen sein.

Waren die Aktenfunde Zufall?

Das ist unwahrscheinlich. Täglich erreichen rund 20 Containerschiffe Hamburg. Pro Schiff können zwischen 3000 und 13 000 Transportkisten an Bord sein. In der Regel prüft der Zoll nur die Papiere. In Zollkreisen gelten Häfen als Risiko. Selbst Fracht in einem Binnenhafen wie Duisburg ist nicht vollständig zu überwachen. Die Aussage des nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans (SPD), ohne den Ankauf von Datenträgern wäre dieser Erfolg nicht machbar gewesen, deutet darauf hin, dass die Fahnder den Akten gezielt auf der Spur waren. NRW hatte 2012 eine gestohlene CD mit Daten der Coutts-Bank aufgekauft. Es gibt aber seit langem Hinweise, dass deutsche Behörden im Ausland Steuerbetrügern auf der Spur sind.

Wie geht das?

Schon der erste Schlag von NRW-Fahndern gegen Steuerhinterziehung – es ging um Anlagen der LTG-Bank in Liechtenstein – erfolgte 2002 mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes. Der BND kaufte Kundendaten an, die der Bankangestellte Heinrich Kieber beiseite geschafft hatte und mit denen auch Post-Chef Klaus Zumwinkel überführt wurde. Kieber lebt heute unter einer anderen Identität. Die Schweiz ermittelt gegen Wuppertaler Steuerfahnder wegen Wirtschaftsspionage und sucht einen deutschen Ex-Steuerfahnder, der auf dem Friedhof von Zug/Schweiz einen Bankangestellten zum Diebstahl von Kunden-Daten über­redet haben soll. Inzwischen nehmen Zollfahnder an den Grenzen nicht nur Drogengeschäfte ins Visier, sondern auch Geldwäsche. 2013 wurden so 573 Millionen Euro sichergestellt, deren legale Herkunft zweifelhaft war – die höchste Summe, die der Zoll je beschlagnahmte.

Warum sind die Cayman Islands ein Steuerparadies?

Die Attraktivität der Schweiz als Fluchtort für schwarzes Geld lässt nach, seit NRW Daten-CD’s kauft und die USA Druck auf Bern machen. Luxemburg und Österreich sind kurz davor, mit Deutschland Informationsabkommen abzuschließen. Beliebt bei Steuerflüchtlingen sind Singapur, die Kanalinseln oder eben die Cayman Islands. Aus Aussagen ergibt sich, dass die Coutts-Bank Kunden empfohlen haben soll, dem „Zebra“-Prinzip zu folgen, einen Teil des Vermögens also als legales „Weiß-Geld“, einen anderen schwarz anzulegen, um Fahnder zu ­irritieren.

Wo sind die in Hamburg sichergestellten Akten?

In Nordrhein-Westfalen. Sie werden von der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf ausgewertet. Laut „Welt am Sonntag“ hoffen die Ermittler, dass die Papiere Klarnamen enthalten. Einer der Namen ist schon durchgesickert: der der Unternehmerfamilie Bin Laden. Ob terroristische Geld-Transfers mit dem Coup der Hamburger Zöllner zu tun haben, ist aber unklar. Sohn Osama war nur das „schwarze Schaf“ des saudischen Clans.