Münster. .

Man merkt Norbert Walter-Borjans nicht an, dass hier der politisch und finanziell folgenreichste Rechtsstreit der zweiten Amtszeit von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ausgetragen wird. Als der Landesfinanzminister gestern Morgen den NRW-Verfassungsgerichtshof in Münster betritt, ist er freundlich und verbindlich wie immer. Es mag am rheinischen Gemüt des Kölner SPD-Politikers liegen. Oder an einer gewissen Routine. Schließlich musste sich Walter-Borjans bereits vier Mal vor dem höchsten Gericht verantworten.

Das siebenköpfige Richtergremium verhandelt diesmal auf Antrag der Landtagsopposition von CDU, FDP und Piratenpartei über das zum 1. Januar 2013 in Kraft getretene „Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge“, wie es im Amtsdeutsch heißt. Es ist die letzte und entscheidende Schlacht im Kampf um die doppelte Nullrunde für höhere Beamte, die seit einem Jahr zu Straßenprotesten und einer historischen Beschwerdewelle geführt hat.

Nach dem Willen von Rot-Grün wurden die 5,6 Prozent Gehaltssteigerung im öffentlichen Dienst für die Jahre 2013 und 2014 nur auf die unteren Besoldungsgruppen übertragen. Für mittlere Gruppen gab es nur leichte Erhöhungen, für Tausende Lehrer, Polizisten, Staatsanwälte und Richter ab der Stufe A13 eine zweifache Nullrunde. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass Staatsdiener an der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung beteiligt werden müssen. Dennoch wähnt sich Walter-Borjans auf juristisch trittfestem Terrain. Vor den Verfassungsrichtern führt der Finanzminister aus, er habe abzuwägen, wie das neue Verfassungsgut der „Schuldenbremse“ ab 2020 zu erreichen sei. Und ob die vorübergehende Nullrunde für höhere Beamte angesichts der durchweg niedrigeren Netto-Einkommen der Tarifangestellten vertretbar sei.

Michael Droege, der Verfahrensbevollmächtigte der Landesregierung, verweist immer wieder auf den „weitgehenden Spielraum“ des Gesetzgebers und die Möglichkeit der sozialen Staffelung bei der Besoldungsentwicklung.

Die neue Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Ricarda Brandts, erklärt die Besoldungserhöhungen entlang der allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Entwicklung bei Beamten, die ja nicht streiken dürfen, zum „unantastbaren Kerngehalt des Alimentationsprinzips“. Die Nullrunden seien „eine Quasi-Kürzung“. Ihr Richterkollege Wolfgang Löwer fragt Walter-Borjans bissig nach seinem Maßstab: „Halten Sie höhere Beamte für überalimentiert?“

Urteil vor den Sommerferien

Nach zweieinhalbstündiger Verhandlung hat CDU-Oppositionsführer Armin Laschet herausgehört, „dass man Lehrern und Polizisten mit dem Argument der Schuldenbremse nicht einfach ein Sonderopfer abverlangen darf“. FDP-Fraktionschef Christian Lindner erkennt Spielräume für eine Staffelung von Besoldungsanpassungen, aber keine verfassungsrechtliche Begründung für eine Nullrunde ab einer willkürlich gezogenen Einkommensgrenze.

Am 1. Juli wird das Urteil erwartet. Eine Übertragung des Tarifabschlusses würde Rot-Grün über 700 Millionen Euro kosten. Bei künftigen Tarifrunden wären Walter-Borjans die Hände gebunden. Ein Stellenabbau im Öffentlichen Dienst, der 40 Prozent des Landesetats verschlingt, würde unumgänglich.