.

Irak, Syrien, Nigeria, Kenia, Somalia – überall flammt der Terror auf, sterben Menschen im Kugelhagel, sind Hunderttausende auf der Flucht. Wieso gerade jetzt, wieso mit dieser wilden Heftigkeit. Truppen so genannter Gotteskrieger rücken im Irak mit aller Gewalt gegen Bagdad vor, der Konflikt könnte sich bald auf die gesamte Region ausweiten, warnen UN-Experten. Die größte Gefahr geht von der sunnitischen Terrorgruppe „Islamischer Staat im Irak und Syrien“ (Isis) aus, die in beiden Ländern brutal gegen andere Religionsgruppen vorgeht. Die Gewaltanwendung habe ein „beispielloses Niveau“ erreicht, warnen UN-Ermittler. „Syrien steht an einem Umkipp-Punkt, was die gesamte Region bedroht.“ Und jetzt wankt auch der Irak.

In Kenia und Somalia versetzt die Schabab-Miliz die Menschen in Angst und Schrecken. Sie töten scheinbar wahllos. Vor wenigen Tagen griffen sie einen Ort nahe der Urlaubsinsel Lamu in Kenia an, 48 Menschen starben. Seit Jahren versucht die Miliz, in Somalia einen „Gottesstaat“ zu errichten.

Boko Haram, und El-Kaida-Ableger

Im Norden Nigerias kämpft die Terrorgruppe Boko Haram für einen islamistischen Staat. Bei Angriffen auf Orte, Kirchen, Schulen und Behörden wurden seit 2009 Tausende Menschen getötet. Die Kämpfer sind für ihre Gnadenlosigkeit berüchtigt. Erschrocken reagierte die Welt auf die Entführung von rund 200 Mädchen. Immer noch fehlt offenbar jede Spur von ihnen.

In Syrien ist die Lage unübersichtlicher, zahlreiche Gruppen kämpfen gegen das Assad-Regime und zum Teil auch gegeneinander. Die stärksten Milizen stellen die El-Kaida-Ableger Isis und Jabhat al-Nusra. Starke Kampfeinheiten verschiedener Brigaden sammeln sich auch unter dem Banner der Islamischen Front. Diese Bündnisse gruppieren sich aber häufig um.

Trotz der Zeitgleichheit der Gewaltausbrüche – der Eindruck einer organisierten Terror-Offensive von Nordafrika bis in den Mittleren Osten täuscht. Dennoch gebe es strukturelle Gemeinsamkeiten über die Ländergrenzen hinweg, sagt Jochen Hippler, Politikwissenschaftler am Institut für Frieden und Entwicklung (INEF) der Uni Duisburg-Essen. „Diese Gruppen nutzen stets das Machtvakuum zerfallener Staatsgebilde aus“, so Hippler. „Wo ein Staat funktioniert, da haben Terrorgruppen meist kaum Chancen.“

Noch vor fünf, sechs Jahren habe El-Kaida weder im Irak noch in Syrien oder Libyen eine starke Rolle gespielt, „sie waren extrem in der Defensive“. Die Wirren des auf halbem Weg ins Stocken geratenen „Arabischen Frühlings“, die Auflösung der staatlichen Ordnung in Libyen und zum Teil auch in Ägypten sowie der Bürgerkrieg in Syrien habe El-Kaida wieder zu beträchtlicher Stärke geführt, sagt Hippler. „In Syrien kämpfen mittlerweile Dutzende bewaffneter Gruppen gegeneinander, von fanatischen Extremisten bis zu kriminellen Banden. So konnte Al-Kaida wieder an Einfluss gewinnen.“

„Militärschläge keine Lösung“

Ein weiteres Beispiel liefere der Irak. Nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 habe sich El-Kaida vor allem in sunnitischen Teilen des Landes wie eine Besatzungsmacht aufgeführt, sagt Hippler. „Darauf begannen sunnitische Stämme, El-Kaida-Leute zu jagen und zu vertreiben.“ Diese Lage habe sich heute komplett verändert. Der verhasste schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki ist nun für die Sunniten der größere Feind. Hippler: „Das hätte verhindert werden können, wenn Maliki den Irak geeint und die Sunniten einbezogen hätte, statt sie zu diskriminieren.“

Wie kann man die Gewalt stoppen? Eine Allianz von USA und Iran sieht Hippler skeptisch. Bislang war der Iran eher ein Teil des Problems, unterstützte Assad und Maliki. Mit Militärschlägen könne man Zeit gewinnen, aber keine Lösung finden. Wichtiger als Bomben und Drohnen sei dies: „Die Bevölkerung muss das Gefühl haben, dass der Staat auf ihrer Seite steht und nicht eine größere Plage ist als die Terrorbanden.“ Erst dann sei Frieden möglich.