Washington. . Jahrzehnte lang waren Amerika und der Iran in Feindschaft verbunden. Doch seitdem die Terrorgruppe Islamischer Saat im Irak und Syrien (Isis) das Land mit Gewalt überzieht und die gesamte Region bedroht, scheint eine Zusammenarbeit beider Staaten immer wahrscheinlicher.

Mit dieser Allianz hat niemand gerechnet. Amerika und Iran, seit Jahrzehnten in Feindschaft verbunden, haben in der Zuspitzung der Krise im Irak Schnittmengen ausgemacht. Am Rande der Gespräche über das iranische Atomprogramm in Wien nahmen hochrangige Vertreter beider Seiten gestern erstmals Kontakt auf, um über Aktionen gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) zu beraten.

Breit angelegte Strategie

Vorausgegangen waren fast deckungsgleiche Äußerungen der Obama-Regierung und Irans Präsident Ruhani. Tenor: Das Erstarken des sunnitischen Terror-Netzwerks stelle eine Bedrohung für die gesamte Region dar. Wobei Teheran besondere Anliegen verfolgt. Das der islamischen Glaubensrichtung der Schiiten verbundene Mullah-Regime war militärisch und finanziell wichtigster Verbündeter der schiitisch dominierten Regierung von Nuri-al-Maliki in Bagdad. Zudem liegen Kerbala und Nadschaf, wichtigste heilige Stätten der Schiiten, im Irak. „Teheran hat großes Interesse, dass die radikalen Sunniten im Nachbarland keinen Fuß auf den Boden kriegen“, sagen Experten der US-Denkfabrik CSIS.

Eine Zusammenarbeit mit Teheran wäre eine außenpolitische Sensation. Die USA unterhalten seit der islamischen Revolution von 1979 keine diplomatischen Beziehungen mehr zum Iran. Seit dem Amtsantritt Ruhanis im Sommer 2013 hat sich das Klima leicht entspannt. Konkrete Schritte würden den USA aber abverlangen, „weit über ihren Schatten zu springen“, so CSIS. Noch 2010 machte der damalige US-Botschafter James Jeffrey den Iran, der die USA noch kürzlich als den „großen Satan“ bezeichnete, für etwa ein Viertel der rund 4500 im Irak-Krieg gefallenen US-Soldaten verantwortlich.

Dennoch: Mit innenpolitischem Widerstand müsste Obama im Fall einer Kooperation bisher nicht rechnen. Selbst Hardliner unter den Republikanern reden einem Schulterschluss mit dem Mullah-Regime das Wort, das für sie bis vor kurzem noch Stützpfeiler einer „Achse des Bösen“ war. „Wir werden wahrscheinlich ihre Hilfe benötigen, um Bagdad zu halten“, so Senator Lindsey Graham.

Iran-Experten wie Stephen Zunes von der Universität San Francisco erkennen in den Annährungsversuchen Teherans eine breiter angelegte Strategie. Die Regierung Ruhani wisse, dass ein von der Weltgemeinschaft verlangter Deal, der Irans Atom-Programm substanziell beschränkt, auf Widerstand der religiösen Führerschaft um Ayatollah Khamenei treffen würde. Sollte der Iran hingegen von Amerika im Falle Iraks auf Augenhöhe als Partner behandelt werden, könnten Zugeständnisse in der Atomfrage leichter verkraftet werden.