Ouistreham. Auf den Schlachtfeldern an Frankreichs Küste wollen Regierungschefs klärende Gespräche mit Russlands Präsident Putin führen. Es geht immerhin um Europas schwerste Sicherheitskrise seit Ende des Kalten Krieges. Beobachter beschreiben die Atmosphäre beim Treffen von Merkel und Putin jedoch als “kühl“.

70 Jahre nach der Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg kommen die Staats- und Regierungschefs aus rund 20 Ländern zur zentralen Feier in die Normandie. Besondere Aufmerksamkeit gilt am Freitag dem ersten Auftritt von Russlands Präsident Wladimir Putin im Kreis westlicher Politiker seit der Eskalation der Ukraine-Krise Mitte März.

Bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Putin im französischen Deauville soll nach russischen Angaben ein Plan auf dem Tisch liegen, um die schwerste Sicherheitskrise in Europa nach Ende des Kalten Krieges zu entschärfen, und um über Wege zur Wiederannäherung zu beraten. Aus deutschen Regierungskreisen wurde dies zunächst nicht bestätigt. Zur Begrüßung gaben sich Merkel und Putin kurz die Hand, die Atmosphäre wirkte kühl. Die Politiker saßen vor den Flaggen beider Länder an einem Tisch relativ weit voneinander entfernt.

Merkel hatte sich seit der international scharf kritisierten Annektierung der Krim durch Russland vor knapp drei Monaten nicht mehr mit Putin getroffen. Sie hatte in den vergangenen Wochen jedoch regelmäßig mit Putin telefoniert.

Sollte die diplomatische Initiative scheitern, drohen die führenden westlichen Industriestaaten Russland schärfere Wirtschaftssanktionen an. Das kündigten die G7-Staaten auf ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag in Brüssel an.

Auch ein Treffen von Putin und Obama wäre möglich

Ob es am Rande der D-Day-Feierlichkeiten auch zu einem Treffen des Kremlchefs mit US-Präsident Barack Obama kommen wird, war im Vorfeld noch unklar. Obama, der Putin während seiner Europa-Reise immer wieder hart kritisiert hatte, schloss ein direktes Gespräch mit dem russischen Präsidenten nicht aus. "Sollten wir die Gelegenheit zum Reden haben, werde ich ihm dieselbe Botschaft wiederholen, die ich ihm während der Krise gesagt habe. Wir werden sehen, was Putin in den nächsten zwei, drei, vier Wochen macht", sagte Obama. Bleibe Putin auf seinem Kurs, müsse er mit weiteren Strafmaßnahmen rechnen.

Am Donnerstagabend hatte Putin bereits in Paris den britischen Premier David Cameron getroffen. Cameron übermittelte dem Kremlchef nach Angaben einer Sprecherin "einige sehr klare und sehr deutliche Botschaften". Die beiden Politiker kamen auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle zusammen. Die russische Agentur Interfax meldete, bei der Begrüßung hätten beide Politiker einen Handschlag vermieden. Im Anschluss wurde Putin von Frankreichs Präsident François Hollande im Élysée-Palast empfangen.

Außenminister Steinmeier reist nach St. Petersburg

Außenminister Frank-Walter Steinmeier reist nach Angaben aus Moskau am Dienstag nach Russland. Der SPD-Politiker berate in St. Petersburg mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow sowie dem polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski über die Lage in der Ukraine.

Laut einer Umfrage sind 89 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die westlichen Staaten weiterhin im Gespräch mit Russland bleiben sollen. Nur 9 Prozent hätten die Überzeugung geäußert, dass man Russland so weit wie möglich isolieren sollte. Das ergab eine Umfrage des ARD-DeutschlandTrends.

US-Botschafter John B. Emerson lobte die Ukraine-Politik Merkels. "Die Bundeskanzlerin und Präsident Obama arbeiten in der Ukraine-Krise sehr gut und sehr eng zusammen - von Anfang an", sagte Emerson der "Berliner Morgenpost" (Freitag-Ausgabe). Merkel sei in der Ukraine-Politik der wichtigste Verbündete der USA, so Emerson.

Feierlichkeiten anlässlich des Jahrestags

Zum Jahrestag der Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg haben in mehreren Orten der Normandie die Feierlichkeiten begonnen. Aus Anlass des Jahrestages sind etwa 1000 Veteranen in die Normandie zurückgekehrt. Die größte Landungsoperation der Geschichte markierte am 6. Juni 1944 den Anfang der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus.

Frankreichs Präsident François Hollande hat am Freitagmorgen ein Mahnmal für die zivilen Opfer der Militäraktion eingeweiht. Damit wird in Caen erstmals mit einer Gedenkstätte an die rund 20.000 Franzosen erinnert, die durch Luftangriffe der Alliierten während des D-Days und die anschließenden Kämpfe ums Leben kamen.

Merkel schrieb in einem Beitrag für die französische Zeitung "Ouest France" anlässlich der Feiern: "Frieden und Freiheit können schnell infrage gestellt werden. Der Konflikt in der Ukraine zeigt uns das. Die Sorge ist groß zu sehen, dass neue Gräben und Trennlinien entstehen."

Die Anwesenheit eines hochrangigen deutschen Vertreters war bei den Feierlichkeiten lange Zeit tabu, zweimal lehnte der damalige Kanzler Helmut Kohl (CDU) eine Einladung ab. Sein Nachfolger Gerhard Schröder (SPD) war 2004 beim 60. Jahrestag der Landung der erste Regierungschef, der Nachkriegsdeutschland in der Normandie vertrat. Zehn Jahre später nimmt nun Merkel teil. (dpa)