Ouistreham. .

Auf den Tag 70 Jahre ist es her, dass die Alliierten in der Normandie landeten und das Ende des Dritten Reichs einläuteten. Anlass genug, das historische Großereignis gebührend zu begehen. Zu der zentralen Gedenkzeremonie, die heute Nachmittag am Strand von Ouistreham stattfindet, hat Frankreichs Präsident Hollande nicht weniger als 25 Staats- und Regierungschefs aus 15 Ländern geladen.

Schon seit Wochen fiebert die Normandie den D-Day-Feiern entgegen, deren Startschuss in der vergangenen Nacht fiel. 24 synchronisierte Feuerwerke erleuchteten kurz vor Mitternacht die vor 70 Jahren schwer umkämpften Strände der Normandie. Drei Stunden später dann wurde das 120 Quadratkilometer große Kampfgebiet der legendären Landungsoperation „Overlord“ von 12 000 Polizisten, Gendarmen und Soldaten abgesperrt.

Innerhalb dieser zu Lande, zu Wasser und in der Luft aufs Schärfste überwachten Sicherheitszone dürfen neben den Anwohnern nur 20 000 geladenen Gäste, 1000 Veteranen und 3000 Journalisten frei zirkulieren. Das übrige französische Volk, Touristen und eventuelle Attentäter hingegen werden auf Distanz gehalten. Den Ausgeschlossenen ohne Passierschein sowie allen übrigen Dörfern und Städten der Normandie bleiben jedoch die Liveübertragungen im Fernsehen. Schließlich hat jede Gemeinde den Ehrgeiz, mit einer eigenen Parade, einer Zeremonie oder einem Volksfest am D-Day teilzunehmen.

Sieger und Besiegte gedenken heute der Befreiung Europas und dem Heldenmut jener, die am frühen Morgen des 6. Juni 1944 die normannische Küste stürmten. Wobei die Grenzen zwischen ihnen beinahe ein Menschenleben nach dieser blutigen und verlustreichen Schlacht längst verschwimmen. Aus den Gegnern von einst sind Verbündete geworden. Doch vor zehn Jahren, als Präsident Chirac erstmals mit Wladimir Putin und Gerhard Schröder auch die Repräsentanten Russlands und Deutschlands eingeladen hatte, war das Zusammengehörigkeitsgefühl fraglos größer.

Der Konflikt um die Ukraine sowie der umstrittenen Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel Krim an Russland überschatten die D-Day-Feiern. Zumal Hollande mit der Bemerkung, dass gerade das Gedenken an einen mörderischen Krieg auf dem Boden Europas Friedensbemühungen fördern müsse, offen angekündigt hat, welche Hoffnungen er mit dem hochkarätigen Treffen seiner Ehrengäste verbindet. Hinter den Kulissen wird es nicht um die glorreiche Vergangenheit, sondern um die Gegenwart und die Frage gehen, wie sich die Situation in der Ukraine stabilisieren lässt.

Bereits gestern Abend hat Gastgeber Hollande den Kremlfürsten im Pariser Elysée-Palast zu einem ersten Austausch empfangen. Bundeskanzlerin Merkel und Großbritanniens Premier Cameron werden Putin heute zu bilateralen Gesprächen am Rande der Feierlichkeiten treffen. Zu weiteren „informellen“ Treffen, die jedoch bis zuletzt nicht bestätigt worden sind, könnte es zudem mit US-Präsident Obama sowie dem soeben gewählten ukrainischen Präsidenten Poroschenko kommen.

Gedrängtes Programm

Die Gelegenheiten für solche Treffen freilich sind aufgrund des gedrängten Programms der Gedenkfeiern dünn gesät. Ein geeigneter Zeitpunkt für die Krisendiplomatie dürfte sich wohl nur in dem auf halbem Wege zwischen Caen und dem Strand von Ouistreham liegenden Schloss Bénouville finden lassen, wohin Hollande alle Staats- und Regierungschef zum Mittagsmahl geladen hat. Tatsächlich wurde dort sogar jeder Delegation ein eigenes Büro in den oberen Stockwerken des Prachtbaus eingerichtet.