Brüssel. .

Der Brüsseler Gipfel der sieben führenden Industriestaaten des Westens (USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien) hat eine umfangreiche Tagesordnung. Allein in der Außenpolitik steht der halbe Globus zur Debatte: Ukraine, Syrien, Libyen, Afghanistan, Thailand, Zentralafrika, Nigeria, ostchinesisches Meer und, und, und. Dazu Wirtschaft, Energie, Klima, Handel, Entwicklung. Alles nachzulesen im Abschluss-Kommuniqué, das am heutigen Donnerstag veröffentlicht wird. Tatsächlich hat die Konferenz nur ein überragendes Thema: den Mann, der nicht dabei ist. Wie geht es weiter mit Russland und seinem ebenso rücksichtslosen wie ehrgeizigen Präsidenten Wladimir Putin?

Der hätte eigentlich selber Gastgeber der Veranstaltung sein sollen. Als 2013 die politischen Kalender fürs Folgejahr gedruckt wurden, stand unter dem 4./5. Juni „G-8, Sotschi“. Putins rabiate Eingriffe in der Ukraine und vor allem die Annexion der Krim machten diese Planung zur Makulatur. Der Kreml-Chef wurde wegen Verstoßes gegen das Völkerrecht ausgeschlossen, die alljährliche Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs kurzerhand vom Schwarzen Meer nach Brüssel verlegt. Ein Ausweichgipfel, zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder ohne Russland.

Putin ins Eckchen – trifft den das überhaupt? Die Ächtung wird oft als rein symbolisch kritisiert. Ein hochrangiger EU-Offizieller, der den russischen Präsidenten aus persönlichen Gesprächen kennt, sieht es anders. „Er tut so, als sei ihm das egal. Aber es hat ihn schwer getroffen.“ Putin habe ein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis. Schon dass der Westen erkennbar den zwischenzeitlichen russischen Präsidenten Dimitri Medwedjew bevorzugte, habe ihn gewurmt.

Wichtigtuerei ist keine Moskauer Spezialität. Die Brüsseler EU-Präsidenten Herman Van Rompuy (Europäischer Rat) und Jose Manuel Barroso (Kommission), die nun hilfsweise als Gastgeber fungieren, drängt es ihrerseits an die Rampe, vor allem wenn US-Präsident Barack Obama kommt. Weshalb die Frage, wer eigentlich die Sitzung leitet, vorab nicht zu klären war und unter Verweis auf „die bewährte Arbeitsteilung“ abgewimmelt wurde.

Beschlüsse soll es in Sachen Russland nicht geben. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Gipfel im Bundestag erklärte, bleibt es bei dem Bemühen, die Krise auf drei Wegen zu entschärfen: Unterstützung der Ukraine, Diplomatie, Sanktionen. Was die Hilfen für Kiew anlangt, sieht die EU die Entwicklung positiv. Die Sonder-Kredite des Internationalen Währungsfonds sind angelaufen, die ersten Zahlungen aus der EU-Kasse auch. Nach der Wahl des Präsidenten Petro Poroschenko steht nun vor allem die Unterzeichnung eines umfassenden Handelsabkommens an, das der Ukraine Zugang zum EU-Binnenmarkt verschaffen soll.

Gute Gelegenheit zum persönlichen Gespräch

Beim Blick auf Moskau ist das Bild laut Merkel „allenfalls gemischt“. Zwar habe der Kreml die Wahl Poroschenkos nicht hintertrieben. Doch tue er nichts, um die „dramatische Verschlechterung“ der Lage in der Ost-Ukraine durch pro-russische Separatisten zu unterbinden. Wenn dies nicht aufhöre, werde der Westen weitere Sanktionen verhängen.

Gelegenheit zum persönlichen Kontakt mit Putin ergibt sich für Obama und Co. morgen bei den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der alliierten Invasion in der Normandie. Noch ist Zeit für die Entscheidung, ob es auf längere Sicht beim Schrumpf-Format G-7 bleibt oder eine Rückkehr zur G-8 möglich ist. Den Vorsitz haben nächstes Jahr die Deutschen. Spätestens, wenn sie die Einladungen zum Gipfel verschicken, muss Klarheit herrschen. Vorläufig gilt laut Van Rompuy: „Es ist nur eine Aussetzung, kein dauerhafter Ausschluss.“