Brüssel. Die Nato fühlt sich erstmals seit zwei Jahrzehnten wieder von Russland bedroht. Über die Folgen gibt es im Bündnis unterschiedliche Meinungen. Aus Warschau signalisiert US-Präsident Obama, dass er zum Handeln bereit ist.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warf Russland vor, die Stabilität und Sicherheit der gesamten euro-atlantischen Region zu bedrohen. Zu Beginn eines Treffens der 28 Nato-Verteidigungsminister machte er in Brüssel klar, dass das Bündnis über eine mögliche Stationierung von Truppen in den östlichen Nato-Staaten erst im September entscheiden werde.
Rasmussen sagte: "Russlands unverantwortliches und illegales Handeln ist eine ernste Herausforderung an ein einziges, freies und friedliches Europa." Er forderte die Nato-Minister auf "sorgfältig die kurz- und langfristigen Folgen für unser Bündnis zu prüfen".
Rasmussen begrüßte die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, eine Milliarde US-Dollar (735 Millionen Euro) für die zeitweise Verlegung von US-Truppen in östliche Nato-Staaten bereitzustellen. "Ich begrüße wirklich die amerikanische Führungsrolle beim Ergreifen von Sicherheitsmaßnahmen", sagte er.
"Wir prüfen eine Aktualisierung unserer Verteidigungspläne und die Entwicklung neuer Verteidigungspläne ebenso wie angemessene Stationierungen", sagte Rasmussen. Eine Entscheidung sei erst beim Nato-Gipfel Anfang September in Newport (Wales) zu erwarten. "Wir müssen die Nato fitter, schneller und flexibler machen."
Östliche Nato-Staaten wie Polen, Litauen, Lettland und Estland fordern die Stationierung von Kampftruppen anderer Nato-Mitglieder, um Russland von einer ähnlichen Militäraktion wie vor der Annexion der Krim und an der Ostgrenze der Ukraine abzuschrecken. Diplomaten zufolge lehnen unter anderem die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine solche Stationierung ab. Stattdessen solle die Nato durch Manöver, mehr Ausbildung, eine Verkürzung der für die Reaktionsfähigkeit nötigen Zeiten oder die vorsorgliche Bereitstellung von Militärmaterial ihre Einsatzbereitschaft demonstrieren.
Der britische Verteidigungsminister David Hammond bestätigte, dass London gegen Truppenstationierungen ist: "Im Moment denken wir, dass wir am besten zusätzliche Manöver haben sollten oder beispielsweise der Luftüberwachung im Baltikum Mittel zur Verfügung stellen." Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte: "Ich glaube es ist wichtig, da das richtige Maß zu finden an Selbstbewusstsein, aber eben auch Besonnenheit." Zu einer möglichen Entsendung von Truppen wollte sie sich nicht äußern. "Das werden wir heute alles besprechen."
Der Nato-Chef hob die Verpflichtungen des Bündnisses hervor. "Wenn es um unsere gemeinsame Sicherheit geht, dann sind wir eins und kein Verbündeter steht alleine", sagte Rasmussen. "Wir werden unsere Reaktionsfähigkeit überprüfen, damit wir in der Lage sind, Truppen zur richtigen Zeit mit den richtigen Werkzeugen und der richtigen Ausbildung am richtigen Ort einzusetzen." Die Nato müsse auch "die Höhe ebenso wie die Art ihrer Verteidigungsausgaben überprüfen".
Die Minister wollen unter anderem über eine Verstärkung des Multinationalen Korps Nordost im polnischen Stettin beraten. Dort sind Soldaten aus Polen, Dänemark und Deutschland stationiert. Die gut 200 Dienstposten, darunter rund 60 für Bundeswehrsoldaten, sind derzeit aber nur zu 80 Prozent besetzt. Das Korps besteht aus Stabspersonal, das künftig unter anderem Übungen planen soll.
Der dänische Verteidigungsminister Nicolai Wammen sagte, beim Verteidigungsministertreffen würden noch keine Entscheidungen getroffen. "Wir werden einen Prozess starten."