Khartum. .
Das Martyrium von Mariam Jahia Ibrahim Ischag macht Hunderttausenden Christen im Sudan Angst. Die 27-jährige Sudanesin wurde wegen „Abtrünnigkeit“ vom Islam zum Tode verurteilt – dabei hat sie ihr Leben lang als Christin gelebt. Nun fürchtet die christliche Minderheit, dass Menschenrechte und Religionsfreiheit im Sudan noch mehr als bisher bedroht werden.
„Die Geisteshaltung der Regierung ist tief islamisch und damit gegen alle Christen gerichtet, wenn sie könnten, würden sie unsere Organisation schließen und sagen: geht zur Hölle“, meint der Präsident der katholischen Hilfsorganisation „Society of Saint Vincent De Paul“, Nasri Morgos Buctor.
Die Lage der Christen habe sich vor allem nach der Abtrennung des Südsudan 2011 verschlechtert: Denn die große Mehrheit der damals etwa sechs Millionen Christen lebt nun nicht mehr unter der Herrschaft Khartums. Mehr als 95 Prozent der etwa 30 Millionen Sudanesen sind Muslime. Die Regierung erschwere zunehmend das Leben der Christen, klagt Nasri Morgos Buctor. Im Sudan sind das vor allem Kopten und Griechisch-Orthodoxe.
Dem Todesurteil gegen Mariam Ischag verdanken die Christen des Sudans weltweite Aufmerksamkeit. Das Schicksal der jungen Frau, die Anfang der Woche im Gefängnis eine kleine Tochter zur Welt gebracht hat, erregt international Aufsehen. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, die USA, Großbritannien und Deutschland protestierten. Amnesty International sprach von einem „abscheulichen“ Urteil.
Die Leidenszeit der Medizinerin begann 2013. Ihre eigene Schwester hatte sie nach Angaben der Behörden wegen „Abtrünnigkeit“ vom Islam und „Gotteslästerung“ angezeigt. Im Februar musste die Ehefrau eines Christen ins Frauengefängnis von Khartum. Ihren damals 20 Monate alten Jungen durfte sie mitnehmen. Obwohl schwanger, wurde die junge Frau zeitweise nach Angaben ihres Verteidigers in Ketten gelegt.
In Ketten gelegt
Vor zwei Wochen verurteilte das Al-Hadsch-Jusif-Kriminalgericht die gebildete Frau zum Tod durch Erhängen – sofern sie ihrem Glauben nicht abschwöre und zum Islam zurückkehre. Der Richter berief sich auf das Strafrecht des Landes, das sich ausdrücklich auf das islamische Rechtssystem Scharia gründet. Demnach ist die Heirat einer Muslima mit einem Christen eine Straftat.
Der Richter fragte Ischag – die er nur mit dem islamischen Namen Abrar al-Hadi ansprach – mehrfach, ob sie „auf ihre Glaubensabtrünnigkeit“ (Apostasie) bestehe. „Ich bin eine Christin, ich bin keine Abtrünnige“, beteuerte sie. Wegen „Ehebruchs“ – nämlich der Beziehung zu ihrem Ehemann Daniel Wani – wurde sie zudem zu 100 Peitschenhieben verurteilt.
Nach der Geburt ihres Kindes darf sie hoffen, dass die Vollstreckung des Urteils gemäß sudanesischen Gebräuchen zwei Jahre aufgeschoben wird. Zudem hat der Verteidiger beim Obersten Gericht Berufung eingelegt, schließlich sei seine Mandantin als Christin aufgewachsen. Ihr Vater sei zwar ein Muslim, die Mutter aber eine orthodoxe Christin aus Äthiopien. Ischag war wegen der weitgehenden Abwesenheit des Vaters als Christin erzogen worden. Parlamentspräsident Al-Fate Essedin bestritt der „Sudan Vision“ zufolge diese Darstellungen. Die Frau stamme sehr wohl aus einer muslimischen Familie.
Härte gegen Andersgläubige
Das Verfahren signalisiert eine Härte gegenüber Andersgläubigen, wie sie laut der christlichen Organisation „Open Doors“ in Afghanistan oder Saudi-Arabien bekannt ist. Im internationalen Index der Christenverfolgung von „Open Doors“ ist der Sudan 2014 auf den 11. Platz vorgerückt. Erkennbar sei eine „Verschlechterung der Stellung von Christen“, vor allem der mit muslimischem Hintergrund. Zudem versuche Präsident Omar al-Baschir, der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht wird, mit der Verfolgung von Christen seine innenpolitische Position zu stärken.