Dieter Degowski beim beglei­teten Freigang? Die Vorstellung, dem kaltblütigen Mörder auf der Straße plötzlich zu begegnen, darf man unerträglich finden.

Das Gladbecker Geiseldrama ist unauslöschlich in unser Gedächtnis ein­gebrannt, und man kann verstehen, dass sich viele wünschen dürften, Degowski möge das Gefängnis nie wieder verlassen.

Der Staat aber darf sich das ­zuweilen perverse Weltbild und die Logik derer, über die er richtet, nicht zu eigen machen. Rache und Grausamkeit können nicht Bestandteile einer humanen Rechtsprechung sein, wie sie unseren Gesetzen zugrunde liegt.

Die Verfassungsrichter haben jedem Täter die Chance eingeräumt, nach intensiver Prüfung die Freiheit wieder zu erlangen.

Degowski mag es zu schauriger Berühmtheit gebracht haben, aber deshalb ist er nicht anders zu behandeln als andere Mörder seiner Gewichtsklasse: Das Recht, auf die Freiheit vorbereitet zu werden, hat auch er. Das Urteil „Lebenslänglich“ ist nicht gleichbedeutend mit ein Leben lang.

Die Psychologen, die eines Tages zu entscheiden haben, ob Degowski wirklich reif ist für die Rückkehr in die Gesellschaft, sagen übrigens nicht automatisch „Ja“.