Berlin. .

Die meiste Zeit haben sie über die Kommunalwahlen geredet. Zum Beispiel über NRW. „Ein sehr gutes Ergebnis“, lobt Angela Merkel. Man mag es kaum glauben. Aber unisono berichten Teilnehmer, dass der CDU-Vorstand sowohl den AfD-Erfolg als auch das Versagen der CSU bei der Europawahl weithin ausgeklammert hat. Dabei war die Schwesterpartei der Urheber der Verluste der Union.

Kritik an Gauweiler

Man gewinne zusammen und verliere zusammen, sagte Merkel und fügte hinzu, dass jeder Ratschlag von außen jetzt „kontraproduktiv“ sei. Das war ein Signal, das jeder verstand, aber nicht jeder beherzigte. Beim EU-Abgeordneten Peter Liese hält der Ärger darüber an, dass die CSU einen betont europa-kritischen Wahlkampf geführt hat; dass ihr Vizechef Peter Gauweiler sich an Merkel abgearbeitet hatte. „An der eigenen Kanzlerin“, grollt Liese. Er hätte gern geredet – über Gauweiler.

Nun lag der Misserfolg im Freistaat vielleicht daran, dass die Bayern müde waren. Sie wurden seit September 2013 fünf Mal zur Wahl aufgerufen: Landtag, Bundestag, zwei Mal für die Kommunen, am letzten Sonntag für Europa. Hatte die CSU ein Mobilisierungsproblem?

Auf jeden Fall hat sie eine Strategie im Umgang mit der AfD, die CSU-Chef Horst Seehofer früh als Risiko, als Herausforderung betrachtet hat. Es trat der Fall ein, den die CSU verhindern wollte: eine Konkurrenz rechts von der Union. Früh griff Seehofer zu ungewöhnlichen Mitteln. Er installierte eben jenen Gauweiler als seinen Vize, einen Haudrauf und ausgewiesenen Euro-Skeptiker. Er sollte Protestwähler so ansprechen wie die AfD, nur besser, mit mehr Mutterwitz, auf bayrisch. Da konnte es passieren, dass der Schwarze Peter die EU-Kommission eine „Flaschenmannschaft“ nannte. Es war der Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Es war Seehofers Entscheidung, sein Fehler, seine Verantwortung. „Ich möchte keine Stellvertreterdiskussionen“, sagte er, „ich bin verantwortlich.“

Immerhin: Er hat es versucht. Und Merkel? Hat die AfD im Wahlkampf ignoriert. Nun verdrängt sie die ersten Erfolge, im Herbst 2013 im Bund, am Sonntag in Europa. Ignorieren und verdrängen, das scheint das Rezept aller anderen Parteien zu sein. Sie halten die AfD für einen Protestverein, nur eine Alternative für Demagogen.

Merkels Strategie – „die absolut richtige“, wie sie meint – ist es, deutlich zu machen, wofür die Union steht, sich mit den Wählern der AfD, nicht aber mit der Partei zu befassen. Die CDU-Chefin nennt sie in einem Atemzug mit den Piraten, mit den Republikanern, also mit Parteien, die kamen und auch wieder gingen. Was aus der AfD wird, ob sie sich etabliert oder eine Episode bleibt, „das ist noch nicht ausgemacht“ für Merkel.

Lucke sieht viel Spielraum

„Wir haben sehr deutlich gesagt, dass wir eine Zusammenarbeit nicht in Betracht ziehen“, sagte sie. Mit „wir“ sind in erster Linie sie selbst und ihr Stellvertreter Thomas Strobl gemeint. Andere im Vorstand nickten und schwiegen. „Wir wollen die AfD nicht adeln“, erklärt einer. Sie wollen die AfD nicht wahrhaben, nicht erwähnen, am besten nicht mal aussprechen.

AfD-Chef Bernd Lucke kann damit leben. Er sieht viel Spielraum für seine Partei, etwa in NRW oder in Niedersachsen. Und in Sachsen, wo am 31. August der nächste Landtag gewählt wird, hat man am Sonntag 10,5 Prozent der Stimmen geholt. Das lässt Lucke hoffen.