Essen. Der kroatische Premierminister Ivo Sanader wirbt eindringlich für die Aufnahme seines Landes in die Europäische Union. Doch die ist erweiterungsmüde. Das Politische Forum Ruhr in Essen erlebte am Donnerstag einen Regierungschef zwischen Zuversicht, Hilflosigkeit und wieder Zuversicht.
„Ich weiß, dass es in den Ländern der EU eine gewisse Erweiterungsmüdigkeit gibt”, sagte Sanader bei seinem Vortrag in Essen. „Aber die Debatte über die EU-Verfassungskrise und über die aktuelle Wirtschaftskrise darf nicht das in den Schatten stellen, wofür wir in Europa gemeinsam kämpfen.”
Sanader äußerte die Auffassung, dass die Stabilisierung Südosteuropas die größte Herausforderung für den Kontinent am Beginn des 21. Jahrhunderts ist. Albanien und die Nachfolgestaaten Jugoslawiens seien heute rundherum von EU-Ländern umgeben. „Politische Instabilität in Südosteuropa bedeutet daher immer Instabilität für die gesamte Europäische Union.” Ein zügiger Beitritt Kroatiens könne da positiv in die übrigen Länder ausstrahlen.
Die Verhandlungen laufen, und sie laufen gut
Kroatien ist bereits seit einigen Jahren auf dem Weg in die EU: Seit 2005 führt das Land Verhandlungen über einen Beitritt, und es hätte damit wahrscheinlich schon viel früher beginnen können, wenn nicht die Verhaftung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ante Gotovina so lange hätte auf sich warten lassen.
Inzwischen läuft jedoch Gotovinas Prozess vor dem Haager Jugoslawien-Tribunal, und das scheint die Sache sehr beschleunigt zu haben. Schon 2009, erklärte jüngst der EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, könnte Kroatien die Verhandlungen abgeschlossen haben, Beitritt 2010 nicht ausgeschlossen. Alles bestens, könnte man meinen.
Ohne Lissabon kein Kroatien
Doch längst haben Politiker in der EU einen Beitritt Kroatiens an die Bedingung geknüpft, dass zuvor die überfällige EU-Reform auf den Weg kommt: Ohne Lissabon kein Kroatien, lautet das Junktim. Merklich erzeugt das Hilflosigkeit auf Seite der EU-begeisterten Kroaten. „Bitte sagen Sie mir: Gibt es etwas, was wir unterlassen haben, um der Erweiterungsmüdigkeit der EU entgegenzuwirken?”, fragte Sanader.
Dennoch will der konservative Premier, der seit 2003 regiert, die Hoffnung nicht aufgeben. In seinen Worten klang das am Donnerstag so: „Ich kenne keinen Pessimisten, der sein Ziel je erreicht hätte.”