Köln.. Der Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan hat am Samstag Köln in zwei Lager gespalten. Während Erdogan in der Lanxess Arena austeilt und von seinen Anhängern wie ein Popstar umjubelt wird, protestieren Zehntausende vor der Halle und in der Stadt lautstark.
Die Spuren des Erdogan-Besuchs in Köln sind auch noch lange nach der 80-minütigen Rede des türkischen Premierministers vom Samstagabend rund um die Lanxxes-Arena zu sehen. Während zahlreiche Fernsehkamera-Teams ihr Equipment zusammenpacken und auch die Polizei nach einem langen, aber friedlichen Tag den Feierabend antritt, beginnen in der Arena die ersten Aufräumarbeiten. Hunderte Rosenblüten, die zu Ehren von Erdogan in die Luft geworfen wurden und Tausende Exemplare kostenlos verteilter Lobschriften auf Erdogan liegen überall rund um die Arena auf dem Boden.
Köln hat einen langen türkischen Tag hinter sich, der mit 30.000 Gegendemonstranten begann und mit einem völlig frenetischen Publikum in der Lanxxes-Arena endete. Unterschiedlicher konnten die Bilder nicht sein. Während auf dem Ebertplatz Dem türkischen Premier bestenfalls keine Sympathien zuteil wurden, wurde er am Abend vor handverlesenen Publikum gefeiert wie ein Popstar.
Erdogan-Gegner oder -Fans - Die türkische Gesellschaft ist gespalten
Tausende AKP-Anhänger aus ganz Deutschland haben schon Stunden vor der Jubiläumsveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen der UETD (Union europäischer türkischer Demokraten), lautstark demonstriert wem ihre Liebe gilt. Immer wieder skandierten sie voller Inbrunst den Namen "ihres Premierministers". Vergleichbar sind nur Ultra-Gruppierungen von Fußballmannschaften, deren Anfeuerungsrufe aufgrund der tiefen Entschlossenheit alles für den Club zu tun, genau so aggressiv klingen.
Dass die türkische und die Türkeistämmige Gesellschaft zutiefst in Erdogan-Gegner und Erdogan-Fans gespalten ist, ist keine Neuigkeit. Welchen Fanatismus diese Lagerbildung imstande ist auszulösen, konnte man in der Kölner Arena eindrucksvoll erleben. Es war weniger der Inhalt der nationalen Parolen, die von den ausverkauften Zuschauerrängen gebrüllt wurden, sondern vielmehr die Art und Weise.
Zwei Stunden bevor Erdogan die Bühne betrat, peitschte ein Redner die Menge regelrecht ein: "Die Türkei ist das größte", "Erdogan ist der Größte". Dabei grenzt es an ein Wunder, dass die ohnehin sehr laut gepegelte Mikrofonanlage nicht geplatzt ist. Laut, entschlossen, selbstbewusst - das war das Mantra.
Treusorgender Vater und Hüter der Gerechtigkeit
Die Bilder eines Premierministers, der von seiner Gefolgschaft vergöttert wird, sollten von Köln aus in die ganze Welt gehen. Allein, dafür hätte es keinem Einheizer bedurft. Eine junge Frau brach in Tränen aus, als "ihr Premier" dann endlich den Saal betrat. Dabei konnte die Frau Erdogan nur über die Videoleinwände sehen. Es hatte niemanden im Saal mehr auf dem Platz gehalten. Minutenlang riefen tausende Regierungstreue Fahnen schwenkend und mit den Füßen auf den Boden stampfend den Namen des Premiers. Und der genießt diese Auftritte, die seine Partei für ihn überall in der Türkei und mittlerweile auch zum dritten Mal in Deutschland organisiert.
Erdogan gibt sich wie gewohnt als Kümmerer, als Versteher der kleinen Leute, als treusorgener Vater und Hüter der Gerechtigkeit. In gewohnter Erdogan-Manier teilt der Premier in seiner 80-minütigen Rede gegen die Oppositionsparteien aus, die aus dem Tod der bei dem Grubenunglück gestorbenen Kumpel politisches Kapital schlagen wollen, obwohl sie die Bergleute bisher nur als minderwertige Arbeiter angesehen hätten. Er hingegen, trauere um die Männer und fühle den Schmerz der Hinterbliebenen.
Erdogan unterstrich dies mit einer Anekdote von einer Grubenfahrt, die er mal gemacht habe. Er wollte dem Publikum in Köln damit demonstrieren, dass er ein Mann des Volkes ist. Die Anekdote verfehlt ihre Wirkung nicht. Erdogans Fans sind begeistert.
Erdogan rechnet mit deutschen Medien ab
Kritik an den westlichen und insbesondere an den deutschen Medien lässt der Premier in seiner Wahlkampfrede auch nicht aus. Die ausländische Presse versuche ihn als Tyrann darzustellen, der das Volk niederknüppeln lässt. Dabei, so Erdogan, handele es sich um erforderliche Polizeimaßnahmen gegen Terroristen in der Türkei. Mit Terroristen meint Erdogan die Demonstranten, die seit den Gezi-Protesten vor einem Jahr immer wiedere in vielen Teilen des Landes gegen die Regierung auf die Straße gehen. Erdogan stellt sich in seiner Rede demonstrativ hinter die türkische Polizei und berichtet von Attacken mit Molotowcocktails. Von Wasserwerfern, Rauchgasgranaten und den Einsatz von Schusswaffen seitens der Polizei ist keine Rede. Stattdessen schiebt Erdogan den Demonstranten die Schuld am Tod eines Mannes zu, der bei Protesten am Freitag in Istanbul umgekommen ist. Die Menge im Saal sieht es genauso wie ihr "großer Held".
Und dieser weiß natürlich zu gut was die Menge von ihm hören will. Erdogan streichelt die Seele der Migranten, bedankt sich bei ihnen für ihren großen Fleiß und ihre Leidensfähigkeit. Er wisse um die Probleme, die seine Landsleute in den vergangenen 50 Jahren im Ausland erlebt haben und er ist stolz auf das was sie erreicht und errichtet haben. Dabei spricht Erdogan seinen Zuhörern nochmal ins Gewissen: " integriert euch, aber lasst euch keinesfalls assimilieren. Lernt die deutsche Sprache sehr gut zu sprechen und engagiert euch, aber gebt unsere wunderbare, reiche Kultur auch an die nachfolgenden Generationen immer weiter. Seid keine Ausländer in Deutschland."
Am Ende mahnt Erdogan nochmal die europäischen Staaten und die Regierungen überall in der Welt nicht auf die Türkei herabzusehen. "Die neue Türkei, in der die Wirtschaft stetig wächst wird nicht länger Tagesthema sein, sondern selber Tagesthemen setzen", strotze Erdogan vor Selbstbewusstsein. Gleichzeitig betonte der türkische Regierungschef, dass die Türkei nach wie vor den Weg in die Europäische Union anstrebe und die Demokratie in der Türkei weiter ausbauen werde. Sein Land sei lernfähig und offen für Argumente, aber eine Einmischung in innerer Angelegenheiten werde er auch in Zukunft nicht dulden. Ganz Europa habe die Sperrung der sozialen Netzwerke in der Türkei scharf kritisiert, aber kein europäischer Regierungschef äußere sich zu den Todesurteilen gegen Frauen und Unschuldige in Ägypten.
Der Abend endete so wie er begonnen hatte - mit tosendem Applaus, Sprechchören und glücklichen Erdogan-Anhängern.