Hagen. .

Braun ist nicht mehr angesagt. Marine LePen trägt zwar gerne dunkle Blusen, weil die so schön zu ihren blonden Haaren passen, aber Braun ist nicht ihre Farbe. Und auch vom entsprechenden Gedankengut hat sich die Vorsitzende des Front National (FN) etwas entfernt. Etwas. Denn rechtsradikal bleibt ihre Partei allemal: nationalistisch, populistisch, ausländerfeindlich. Als sich die 46-jährige Politikerin Ende vergangenen Jahres mit dem niederländischen Rechtsausleger Geert Wilders (Freiheitspartei) an einen Tisch setzte, um die Gründung einer Anti-Europa-Koalition zu verkünden, zuckten die Vertreter der etablierten demokratischen Parteien in allen Teilen Europas kurz zusammen – und dann mit den Schultern. Nach dem Motto: Wird schon nicht so schlimm werden.

Rechte spekulieren mit der Mehrheit

Wirklich nicht? Europa wählt, und es ist davon auszugehen, dass die Rechtspopulisten deutliche Stimmenzuwächse erzielen werden. Das legen Meinungsumfragen und die Ergebnisse der jüngsten nationalen Wahlen nahe. In Frankreich und Großbritannien spekulieren die Rechten sogar mit einer Mehrheit. Nicht nur dort reiten sie auf der Angstwelle, fischen im Reservoire der Unzufriedenen und produzieren die üblichen populistischen Parolen. In Deutschland plakatieren sie: „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt.“

Birgit Sippel, SPD-Europaabgeordnete aus Arnsberg, führt das prognostizierte Mandate-Plus der Extremen nicht nur auf den Wegfall der Drei-Prozent-Hürde zurück, sondern auch auf das Versagen der anderen Parteien und meint damit natürlich den konservativen politischen Gegner: „Anstatt den menschenverachtenden rechten Parolen etwas entgegenzusetzen, rücken etablierte Parteien mit haltlosen Parolen ebenfalls nach rechts – in der Hoffnung, dort Stimmen abzugreifen“, kritisiert Sippel.

Cas Mudde, Politikwissenschaftler, sieht das Problem weniger dramatisch. Der Niederländer, der aktuell einen Lehrauftrag an der US-amerikanischen University of Georgia wahrnimmt, hat auf Basis nationaler Wahlergebnisse und Prognosen hochgerechnet, dass die Rechtsaußen-Parteien im nächsten Europaparlament 45 von 751 Plätzen besetzen werden. Bei der Wahl vor fünf Jahren waren es noch 37. Sorgen müsse man sich deswegen nicht machen, auch wenn es LePen und Wilders gelingen sollte, in Brüssel und Straßburg eine offiziell anerkannte Fraktion bilden zu können: Die Geschichte habe gezeigt, dass radikale Rechte selten effektiv zusammenarbeiten. Sechs bis zehn Prozent Rechte könnten die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht gefährden, sagt Mudde. Gleichwohl sei die hohe Zahl von Menschen, die sich von den liberalen demokratischen Parteien nicht mehr vertreten fühlen und deswegen rechts oder gar nicht wählen, sehr bedenklich. Ihnen dürfe man nicht mit der Übernahme rechter Parolen begegnen, sondern mit Lösungsvorschlägen, die auf demokratischen, christlichen oder liberalen Fundamenten fußen.

Erfolgsgeschichte Europa

Euro-Skeptiker wie die Alternative für Deutschland müssen nicht ­automatisch rechtsextrem sein. Dass sie an diesem Wochenende zu den ­großen Gewinnern der Wahl ­avancieren werden, scheint ausgemachte Sache zu sein. Die AfD könnte auf sieben Prozent kommen, in Großbritannien wird der UKIP sogar die Mehrheit ­zugetraut. Sie hat im Wahlkampf mit einem EU-Austritt Stimmung gemacht.

Für Peter Liese, CDU-Abgeordneter aus Meschede, geht es nun darum, die „Erfolgsgeschichte Europa“ besser zu erzählen: „Gerade angesichts des schwierigen Themas Ukraine kann man sehen, wie wichtig der Frieden ist. In der globalen Auseinandersetzung, etwa mit China, hätte Deutschland alleine keine Chance. Nur gemeinsam sind wir stark.“ Liese und Sippel sind sich einig: Wer nicht zur Wahl geht, der hilft den extremen Parteien.