Berlin. .

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich nachdenklich: Ein „tiefer Graben“ trenne die außenpolitische Elite des Landes und die breite Öffentlichkeit, befand der Minister gestern bei einer Konferenz im Weltsaal des Außenministeriums. Soll sich Deutschland bei in­ternationalen Konflikten heraushalten oder einmischen?

„Raushalten ist keine Lösung“, ist Steinmeier überzeugt, doch er weiß jetzt: Viele Bürger sehen das derzeit anders. Die Mehrheit der Deutschen ist dagegen, dass ihr Land international mehr Verantwortung übernimmt. 60 Prozent finden, Deutschland solle sich zurückhalten. Das ergab eine Umfrage, die das Auswärtige Amt in Auftrag gegeben hatte. Innerhalb von 20 Jahren hat sich damit die Stimmung deutlich gedreht – bei einer ähnlichen Erhebung 1994 sprachen sich 37 Prozent für eine Zurückhaltung Deutschlands aus, 62 Prozent plädierten für die Übernahme größerer Verantwortung.

Heute ist eine breite Mehrheit dafür, die Einsätze der Bundeswehr zu reduzieren, ein stärkeres Engagement wird vor allem bei humanitärer Hilfe und Abrüstung befürwortet. Die Bürgerbefragung ist Teil eines einmaligen Polit-Experiments: In ei­ner so genannten „Review 2014“ will Steinmeier die deutsche Außenpolitik auf den Prüfstand stellen, die Rolle, Ziele und Instrumente Deutschlands debattieren – ab Juni auch bei öffentlichen Veranstaltungen bundesweit.

Zunächst aber geht es um Diskussionen mit Experten. Die forderten gestern im Weltsaal erwartungsgemäß, Deutschland müsse mehr Verantwortung übernehmen. Die Wünsche der internationalen Fachleute waren allerdings sehr unterschiedlich und reichten von einer Rolle Deutschlands als „Brückenbauer“ (China) bis zu „mehr militärischer Einsatzbereitschaft“ (USA).

Volker Perthes, als Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik ein wichtiger Regierungsberater, mahnte: „Die Erwartungen an Führung und Mitführung durch Deutschland haben zugenommen: Deutschland hat in Europa relativ an Gewicht gewonnen, während Europa global relativ an Gewicht verliert.“

Steinmeier weiß das. „Deutschland ist ein bisschen zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“, erklärt er. In der dramatisch veränderten Welt habe sich Deutschland noch nicht richtig verortet, Verantwortung noch nicht definiert. Das will der Minister jetzt nachholen, er steht nicht allein.

Eine entschlossenere Außenpolitik hatten auch Bundespräsident Joachim Gauck und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gefordert. Doch während von der Leyen auch ihre Bundeswehr gefordert sah, mahnt Steinmeier: „Der Instrumentenkasten der Diplomatie ist reichhaltig, es geht nicht um Militär Ja und Nein.“