Berlin. . Sigmar Gabriel will eigentlich die Rüstungsexporte beschneiden – und genehmigt ausgerechnet den Verkauf von Waffen an Saudi-Arabien oder Brunei, wo Menschenrechte immer wieder missachtet werden. Der Wirtschaftsminister beruft sich auf alte Verträge, doch Grüne und Linke üben scharfe Kritik.

Brisante Zwischenbilanz der deutschen Rüstungsexporte unter der schwarz-roten Bundesregierung: Die Genehmigungen für Waffenausfuhren in umstrittene Empfängerländer außerhalb von Nato und EU sind in der Amtszeit des zuständigen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) deutlich gestiegen. Das geht aus einer Regierungsantwort auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die unserer Zeitung vorliegt.

Die Opposition warf Gabriel wegen der Zahlen „Heuchelei“ vor. Der Minister selbst blieb bei seiner Ankündigung, er wolle Waffenexporte restriktiver handhaben, und machte Entscheidungen der schwarz-gelben Vorgängerregierung für den Anstieg verantwortlich.

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Die Zahlen des Wirtschaftsministeriums spiegeln eine seit Jahren beobachtete Verschiebung im deutschen Rüstungsgeschäft wider: Der Wert der Rüstungs-Ausfuhrgenehmigungen von Januar bis Ende April 2014 sank zwar insgesamt um ein Viertel auf 1,18 Milliarden Euro; verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Doch das Minus beruht nur auf rückläufigen Bestellungen der westlichen Verbündeten, die ihre Rüstungsetats zurückfahren. Die politisch umstrittenen Genehmigungen für Geschäfte mit Drittländern dagegen nahmen weiter zu – um 128 Millionen auf 649 Millionen Euro.

In Brunei wird gerade die Scharia eingeführt

Damit geht deutlich mehr als die Hälfte der Rüstungsexporte in Regionen außerhalb von Nato und EU, noch 2010 lag der Anteil nur bei einem Drittel. Linken-Rüstungsexperte Jan van Aken nannte den Trend „erschreckend“.

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Von Christian Kerl

Hauptempfänger der aktuellen Exporte ist Singapur, das für 200 Millionen Euro vor allem gebrauchte Leopard-Panzer der Bundeswehr erhält. Zu den zehn wichtigsten Empfängerländern gehören aber auch Saudi-Arabien, Brunei und Algerien – in diesen Ländern gibt es Defizite bei der Einhaltung von Menschenrechten, Brunei führt gerade die Scharia ein. Nach den Richtlinien muss der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland bei der Exportgenehmigung aber besonderes Gewicht beigemessen werden.

„Ich kann die Entscheidungen meiner Vorgänger nicht rückgängig machen“

Das Wirtschaftsministerium betonte, bei den jetzt erteilten Genehmigungen gebe es zum Teil rechtlich verbindliche Exportzusagen der vergangenen Jahre. Gabriel sagte in der „Bild am Sonntag“: „Ich kann leider nicht die Entscheidungen der letzten Jahre rückgängig machen, deshalb wird es in diesem und in den nächsten Jahren noch zu Exporten kommen, die bereits vor Jahren genehmigt wurden“. Zugleich bekräftigte der Minister: „Ich werde für alle neuen Entscheidungen, die ich zu verantworten habe, dafür sorgen, dass Deutschland damit vorsichtiger umgeht.“

Deutschland müsse seine Waffenexporte sehr restriktiv handhaben, insbesondere bei Kleinwaffen, sagte Gabriel. Waffenexporte seien kein Mittel der Wirtschaftspolitik, die Entwicklung der letzten Jahre halte er für falsch.

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Grüne und Linke griffen den Minister aber scharf an und hielten ihm vor, er kritisiere öffentlich Rüstungsexporte, mache mit seinen Genehmigungen praktisch aber das Gegenteil. Linken-Chef Bernd Riexinger nannte den Minister einen „Heuchler“, die Grüne Katja Keul sagte, Gabriel verstecke sich hinter Vorgängerregierungen.

Unruhe in der Rüstungsindustrie

Bisher habe sich die Bundesregierung darauf berufen, dass die von Gabriel jetzt ins Feld geführten sogenannten Vorbescheide für Genehmigungen keinerlei Bindungswirkung hätten. Doch während Gabriel aus Sicht der Opposition zu wenig für eine Kursänderung tut, haben seine Ankündigungen in der deutschen Rüstungsindustrie bereits für große Unruhe gesorgt; vor allem ein möglicher, seit zwei Jahren diskutierter Panzerverkauf an Saudi-Arabien gilt intern jetzt als gefährdet.

Der Chef der Airbus-Militärsparte, Bernhard Gerwert, warnt, Beschränkungen würden der gesamten deutschen Wirtschaft schaden, weil Empfängerländer nicht zwischen Produkten unterschieden. Die Union warnt: „Wenn deutsche Rüstungsfirmen nicht mehr außerhalb des Nato-Bündnisses exportieren könnten, wird es keine Rüstungsindustrie mehr in Deutschland geben“, sagt Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs.