Berlin. .

Ex-Kanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder kritisieren die Russland-Politik der EU - und damit auch die von SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Dafür nimmt ihn CSU-Chef Seehofer gegen christsoziale Attacken in Schutz. Im Interview mit dieser Zeitung äußert sich Steinmeier zu seinen Kritikern sowie Chancen und Risiken der deutschen Ukraine-Politik.

Frage: Sie bemühen sich unermüdlich um eine friedliche und diplomatische Lösung des Ukraine-Konfliktes. Dafür werden Sie jetzt heftig kritisiert. Ihre diplomatischen Bemühungen seien permanent erfolglos und nicht hinreichend mit der EU koordiniert. Isolierte deutsche Diplomatie könne nicht zum Erfolg führen. Halten Sie an Ihrer Strategie fest?

Frank-Walter Steinmeier: Ich sehe keine Strategie, mit der der Erfolg garantiert ist. Aber Rechtfertigung für Nichtstun ist das eben nicht. Es wäre unverantwortlich, wenn wir nicht alles unternehmen würden, um auf eine Deeskalation der gefährlichen Lage hinzuwirken und einen Weg hin zu einer friedlichen Lösung zu suchen. Ich werde weiter alles in meiner Macht Stehende tun, damit dafür Chancen entstehen. Unsere Idee eines nationalen Dialogs und der Errichtung Runder Tische im ganzen Land ist eine solche Chance, und ich bin froh, dass der Prozess vor wenigen Tagen in Gang gekommen ist. Jeder, der sich an unserer Seite um eine Entschärfung des Konflikts bemüht hat, weiß, dass das nicht einfach ist, wenn sich die Konfliktbeteiligen gegenseitig Gewalt antun und als Faschisten oder Terroristen beschimpfen. Aber wer nicht will, dass der Ukraine-Konflikt völlig aus dem Ruder läuft, der hat keine Alternative. Im Übrigen: Ich bin mir breiter Unterstützung für diese Politik sicher.

Es fällt auf, dass die Nörgelei gegen Ihre Russland-Politik nicht nur aus der CSU kommt, sondern auch von bekannten Sozialdemokraten wie Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Solche Kritik schwächt doch die deutsche Position gegenüber Putin!

Es gibt leider kein Allheilmittel, mit dem sich wie durch Geisterhand die Krise so einfach in Luft auflösen würde. Was uns droht, wenn es nicht gelingt, den Weg zu einer friedlichen Lösung zu finden, ist letztlich eine neue Spaltung Europas. Ich wünschte mir, dass diejenigen, denen Kritik so leicht über die Lippen geht, das Gesamtbild sähen. Wir in Deutschland sind doch fast die letzten, die inmitten der Krise und unter großem Druck das ständige Gespräch mit Russland nicht aufgegeben haben. Dabei gilt: Die Gesprächskanäle nach Moskau offen halten, heißt nicht, die russische Politik zu beschönigen oder gar zu rechtfertigen. Deshalb müssen wir klar sagen, dass die Annexion der Krim eine Völkerrechtsverletzung ist und das russische Verhalten diesseits und jenseits der Grenze zur Ukraine alles andere als ein Beitrag zur Deeskalation ist. Sieben Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dürfen wir nicht zulassen, dass in Europa Grenzen mit Gewalt korrigiert werden. Wenn das erst einmal anfängt, nimmt es kein Ende mehr.

Die Lage in der Ukraine ist desolat. Haben Sie überhaupt Hoffnung, dass es zu geordneten Präsidentschaftswahlen kommen kann?

Die OSZE berichtet, dass die Vorbereitung der Wahlen in weiten Teilen des Landes auf gutem Weg ist, auch im Osten und Süden. Die jetzt noch verbliebene Zeit muss dafür genutzt werden, auch politisch den Boden für Wahlen zu bereiten, die den Willen der Bürger der Ukraine in Ost und West, Nord und Süd widerspiegeln. Der vor wenigen Tagen aufgenommene nationale Dialog und die Runden Tische auch im Osten der Ukraine sind dafür das richtige Mittel. Und an die Adresse Moskaus sagen wir: Gerade diejenigen, die die Legitimität der ukrainischen Regierung bestreiten, müssen doch ein Interesse daran haben, dass mit demokratischen Wahlen frische Legitimität geschaffen wird.