Essen. Das Essener Jugendamt hat einen privaten Sicherheitsdienst engagiert, um einen jungen Intensivtäter Tag und Nacht zu begleiten. Zwei gestandene Männer folgen ihm Tag und Nacht. Das Jugendamt zahlt dafür 1500 Euro pro Tag. Eine Nachbarin sagt: „Den hätte man nicht ins Heim stecken sollen, sondern zu liebevollen Eltern, damit er erlebt, was eine Familie ist.“

Die triste Essener Hochhaussiedlung Bergmannsfeld wurde am Freitag von Kamerateams belagert: Hier nämlich wohnt ein gerade erst 14 Jahre alter Intensivtäter, der rund um die Uhr von einem privaten Sicherheitsdienst begleitet wird.

1500 Euro kostet die Maßnahme, die das Jugendamt aus dem Topf „erzieherische Hilfen“ bezahlt. Damit soll verhindert werden, dass der aus Russland stammende Oleg erneut straffällig wird.

Die Stadt Essen will die Überwachungsmaßnahme ausdrücklich nicht als „Blaupause für ähnlich ­gelagerte Fälle“ verstanden wissen. Eher ist sie wohl ein Akt der Hilf­losigkeit, entstanden aus der „Abwägung zwischen Opferschutz und Kosten“ und flankiert von ­pädagogischen Maßnahmen. Oleg ist schon im Alter von elf Jahren mit Diebstahlsdelikten und Körperverletzungen auffällig geworden.

Geschlossenes Heim wollte ihn nicht behalten

Strafmündig wurde der Junge erst mit seinem 14. Geburtstag am vergangenen Samstag, bis da konnten weder Jugendarrest noch Haft gegen ihn verhängt werden. „Aber alle anderen zur Verfügung stehenden Maßnahmen hat der Jugend­liche durchlaufen“, sagt Stadtsprecherin Nicole Mause. Aus offenen Einrichtungen sei er stets sofort entwischt.

Von Ende Januar bis Mitte März brachte man den ­damals noch 13-Jährigen in einem geschlossenen Heim außerhalb ­Essens unter. „Selbst diese intensivpädagogische Betreuung musste abgebrochen werden.“ Offenbar hatte Oleg das Personal bedroht.

Der Russlanddeutsche kam im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland, bald darauf gab es Probleme. Bis Sommer 2012 besuchte Oleg die Förderschule noch so oft, „dass man zähneknirschend von einer halbwegs regelmäßigen Beschulung sprechen konnte“. Allerdings ließ er auch hier immer wieder „schwerst traumatisierte Opfer“ zurück.

Schmächtiger Junge setzte sich durch

Nach Angaben der Polizei hat Oleg mindestens 14 Raubüberfälle begangen, bei denen er seine Opfer mit Nothammer, Stechbeitel, Springmesser oder Eisenstange ­bedrohte. Der schmächtig wirkende Jugendliche galt dabei als Kopf einer Bande von älteren Jugend­lichen. „Er konnte sich durch sein brutales Vorgehen offenbar Respekt verschaffen“, sagt Polizeisprecherin Tanja Hagelüken. Neben Raubdelikten wird ihm Körperverletzung vorgeworfen, auch soll er gut 20 Mopeds gestohlen haben – auf der Flucht kollidierte er mal mit den verfolgenden Streifenwagen.

Nicht einmal die Aufnahme in ein Intensivtäter-Programm Ende 2013 konnte den Jungen stoppen. Erst seit er Tag und Nacht überwacht wird, gab es keine Vorfälle mehr. Die muskulösen Männer von Issa-Security, die vor dem Haus auf Oleg warten, haben freilich ­weder einen pädagogischen Hintergrund noch polizeiliche Kompetenzen. „Meine Leute haben nur das Jedermannsrecht. Wenn etwas passiert, rufen sie die Polizei“, stellt Firmenchef Mohammed Issa klar. Seine Mitarbeiter, die Oleg auch zu Verabredungen chauffieren, hätten den Jungen nie aggressiv erlebt.

Alte Nachbarin erlebte ihn als „immer höflich“

„Er war immer höflich, hat mir meine Tasche getragen“, sagt eine ältere Dame, die mit Olegs Familie im Haus wohnt, über den Jungen, auf dessen Konto zig Raubdelikte gehen. Oleg habe zu Hause der Halt gefehlt. In der Nachbarschaft kursieren unschöne Geschichten über die Familie, von zu viel Alkohol und zu wenig Interesse für die Kinder ist die Rede.

Amtlich spricht man von „nicht einfachen“ Familienverhältnissen. Die Nachbarin jedenfalls meint: „Den hätte man nicht ins Heim stecken sollen, sondern zu liebevollen Eltern, damit er erlebt, was eine Familie ist.“

Zu spät, seit einer Woche ist Oleg 14. Wie sagt Oberstaatsanwältin Anette Milk: „Wird er jetzt straf­fällig, kann er in U-Haft landen.“