Washington. .

Darf man mit Toten Wahlkampf machen? Für das von den Republikanern beherrschte Repräsentantenhaus in Washington stellt sich die Frage vor den Halbzeitwahlen im Kongress in sechs Monaten so nicht: Man muss, wenn es denn dem Präsidenten und den oppositionellen Demokraten nur gehörig schadet. Getreu dieser Maxime wird Amerika nun Zeuge eines auf Monate angelegten Schauspiels, in dem sich die älteste Demokratie der Welt durch Dreckschmeißen auszeichnen und die Zustimmung des Volkes zu „denen da in Washington“ weiter abnehmen wird.

Kein spontaner Wutausbruch

Darum geht es: Ausgerechnet am 11. September vor zwei Jahren wurden bei einem Terrorangriff auf das amerikanische Konsulat im libyschen Bengasi vier Amerikaner ermordet. Darunter der damalige US-Botschafter Christopher Stevens. In den ersten Tagen danach sorgte das Weiße Haus durch widersprüchliche und unzulängliche Angaben über die Hintergründe für Irritationen und bekleckerte sich nach dem Urteil vieler US-Medien nicht mit Ruhm.

In der damals kurz vor der Präsidentenwahl im November 2012 stehenden republikanischen Partei leckte man Blut. Obamas Widersacher Mitt Romney zog das Thema in die Fernsehdebatten. Sein Verdacht: Obamas Leute wussten früh, dass es kein (wie zuerst verlautbart) spontaner Wutausbruch von Muslimen über ein damals kursierendes Video war, der die Bluttat auslöste - sondern ein gezielter Angriff einer Filiale der Terror-Organisation El Kaida auf eine erschreckend schlecht gesicherte Auslandsvertretung. Um die Wiederwahlchancen Obamas nicht zu gefährden, so lautet die Erzählung der Republikaner bis heute, sei der Sachverhalt verschleiert worden.

Den Nachweis führen konnten die Republikaner bis heute dafür trotz 13 offiziellen Kongress-Anhörungen und knapp 25 000 Seiten Untersuchungsbericht nicht. Insbesondere mislangen alle Versuche, der damaligen Außenministerin Hillary Clinton Versäumnisse, Vertuschung und Fehlverhalten nachzuweisen. Weil Clintons Anmeldung für die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2016 gefühlt immer näher rückt, will die Opposition nun einen zweiten Anlauf starten.

Eine über Monate vom Weißen Haus zurückgehaltene E-Mail liefert ihnen den Stoff für einen Sonderausschuss, der nach Befürchtungen der Washington Post zu einem ärgerlichen „Schauprozess“ werden könnte; mit Verletzten auf beiden Seiten. In der Nachricht hatte Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes der damaligen UNO-Botschafterin Susan Rice eine Sprachregelung für die Interview-Zeit unmittelbar nach dem Anschlag verabreicht, die aus heutiger Sicht komplett falsch ist: Danach sei das Attentat keine Reaktion auf die amerikanische Regierungspolitik in Libyen, sondern eben Ausdruck des muslimischen Unmuts über den hetzerischen Videofilm „Innocence of Muslims“.

Aus diesem Detail Obama und perspektivisch Frau Clinton einen Strick drehen zu wollen, kommt aus Sicht der New York Times einer „Zirkusveranstaltung“ gleich. Anstatt sich der wichtigen Frage zuzuwenden, wie dem geschundenen Libyen zu helfen wäre, verkämpfe sich die „Grand Old Party“ bei dem Versuch der „Imagebeschädigung“. Allerdings kriegt auch die Obama-Regierung in den Medien ihr Fett weg. E-Mails zu unterdrücken, nähre den Verdacht, da sei vielleicht noch mehr.

Strammer Vertreter der Tea-Party

Von diesem „mehr“ ist einer bereits fest überzeugt. Trey Gowdy, ein strammer Vertreter der radikal populistischen Tea-Party-Bewegung aus South Carolina innerhalb der republikanischen Partei, wird den Sonderausschuss leiten. Was der blonde Rechtsanwalt seit Tagen in Interviews verlauten lässt, hat im Lager von Hillary Clinton für Unwohlsein gesorgt. Gowdy versprach mit heiligem Ernst, er werde „keinen Stein auf dem anderen lassen“. Die Ortsmarke Bengasi wird in den nächsten Monaten häufiger das politische Treiben in Washington bestimmen.