Dresden. .

Zwei weitere Tage hat Christian Lindner geschafft. Nach dem Dresdner Parteitreffen sind es nur noch 1800 bis zur Bundestagswahl 2017. Lindner kämpft gegen das Verschwinden. Seit die FDP nicht mehr im Bundestag ist, geht es dem Parteichef ein bisschen so wie dem Wissenschaftler Griffin in „Der Unsichtbare“.

Der Romanheld des britischen Schriftstellers H.G. Wells kommt mit einem verhängnisvollen Pulver in Berührung, das unsichtbar macht. Einmal infiziert, lässt sich der Prozess des Verschwindens nicht mehr stoppen. Griffin wickelt sich in seiner Not in Verbände, um präsent zu bleiben - bei FDP-Chef Lindner sind es Interviews, Tweets, Gastbeiträge und Rede-Auftritte im Akkord.

Der 35-Jährige verbringt mehr Zeit auf dem Beifahrersitz seines Düsseldorfer Dienst-BMW als im Büro oder zu Hause. Das geht seit acht Monaten so. Um die 400 Termine waren es seitdem. Wie groß muss der Verschleiß sein, eine Ex-Regierungspartei in einer brutal schnellen Mediengesellschaft quasi allein am Leben zu erhalten?

Auf Dauer wird das kaum funktionieren. In den Landesverbänden wird Lindners Ehrgeiz und unermüdlicher Einsatz geschätzt. Allein könne er bei miesen Ergebnissen die Fliehkräfte in der Partei aber kaum bändigen, heißt es in Dresden. Die Personaldecke ist dünn.

Bei der Europawahl in zwei Wochen könnte es für die FDP richtig schlimm werden. Schneiden die Euroskeptiker von der Alternative für Deutschland (AfD) womöglich doppelt so stark ab, wäre das für die Genscher-Partei mit der Europa-DNA eine Schmach.

So weicht Lindner beim Bundesparteitag auffällig von seiner bisherigen Linie ab, die AfD weitgehend zu schonen. Die träten doch das ultrarechte Erbe von Schönhuber und den Republikanern an. Zwar verlor die FDP bei der Bundestagswahl die meisten Stimmen an Union und SPD, die Omnipräsenz der AfD scheint die Liberalen nun aber doch nervös zu machen.

Fast wichtiger als Europa sind für die FDP aber die vielen Kommunalwahlen, die parallel am 25. Mai stattfinden. Bricht jetzt auch ein Teil der Verankerung in der Fläche - die FDP hat 5500 Mandate - weg, dann wird es für Lindner noch schwerer. Ende August geht es in Sachsen um die Verteidigung der letzten ­schwarz-gelben Landesregierung. Selbst der eigene Spitzenkandidat lässt Zweifel an seiner Mission anklingen: „Es ist nicht mal unwahrscheinlich, dass wir scheitern“, meint der kantige Holger Zastrow, der einige Erfolge in der Landespolitik vorweisen kann.

So dürfte Lindner 2014 fast schon abgehakt haben. Anfang nächsten Jahres dürfte Lindner öfters an Hamburger Türen klopfen. Als eine wichtige Etappe für den Wiederaufstieg gilt die Wahl in der Hansestadt im Februar 2015. Schafft es die FDP in eine sozialliberale Koalition unter dem wirtschaftsaffinen SPD-Regierungschef Olaf Scholz, könnte aus den Unsichtbaren im Ansatz wieder ein Machtfaktor werden.