Berlin. .
Im Vorgriff auf die heutige Steuerschätzung sieht der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) keinen Spielraum, die „kalte Progression“ abzubauen. Das Plus sei „nicht so hoch“, um gleichzeitig Schulden abzubauen und Steuern zu senken, sagte er der WR. Deutliche Kritik daran äußerte Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes: „Walter-Borjans will weiterhin heimlich die Steuern erhöhen“ Dabei gehöre das Geld den hart arbeitenden Bürgern, die der Fiskus bei einer Einkommenserhöhung nicht bestrafen dürfe.
Walter-Borjans reagierte auf Berichte, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plane, die Steuerzahler 2016 um drei Milliarden Euro zu entlasten. Wenn die Berliner Regierung für eine „Gegenfinanzierung sorgt oder Überschüsse hat: bitteschön“ sagte er. „Dann soll sie das machen“, fügte er hinzu. Für Nordrhein-Westfalen stellte er klar: Ohne Gegenfinanzierung geht das „bei uns jedenfalls nicht“. Auch in der SPD sehe er „keine Kursänderung“, sagte der Minister an die Adresse von Parteichef Sigmar Gabriel. „Es muss endlich Schluss sein damit, den Menschen vorzugaukeln, wir könnten Straßen sanieren, die Bildung verbessern, Schulden abbauen und dabei auch noch die Einnahmen senken“, sagte Walter-Borjans.
Gabriel hatte am Dienstagabend vor der SPD-Fraktion dafür geworben, die Steuerzahler notfalls auch ohne eine Gegenfinanzierung zu entlasten. Die Lage hat sich nach seinen Worten geändert, weil die Gewerkschaften seit Wochen die „kalte Progression“ thematisierten. Er empfehle der SPD, sich nicht gegen die Gewerkschaften aufzustellen.
„Wenn schon der DGB die FDP-Linie übernommen hat, dann ist das ein deutliches Signal“, sagte FDP-Chef Christian Lindner zur WR. Die Große Koalition wolle sich an der Mittelschicht bereichern.
Walter-Borjans räumte ein, dass bei der kalten Progression allein der Fiskus von höheren Einkommen profitiere. Das sei „auf Dauer nicht gewollt und auch nicht gerecht“. Nach seiner Darstellung werden die Folgen aber übertrieben. Wenn die Einkommen um zwei Prozent stiegen, nehme die Steuerlast zwar um mehr als zwei Prozent zu. Doch sei es „absoluter Unsinn“, dass die Progression den gesamten Zuwachs auffresse. „Im höchsten Tarif gehen maximal 45 Cent von einem zusätzlichen Euro ans Finanzamt. Dann muss jemand aber auch 250 000 Euro im Jahr verdienen – als Single“, sagte er.