Wien. Einer repräsentativen Umfrage zufolge findet knapp ein Drittel der Österreicher Wahlen und Parlament nicht so wichtig. Die Befragten hätten demnach lieber einen “starken Führer“. Eine Studie zum NS-Geschichtsbewusstsein zeigt aber auch, dass die kritische Distanz gegenüber der NS-Zeit wächst.

In Österreich wächst laut einer Studie die Sehnsucht nach einer starken Führungsfigur. In einer repräsentativen Befragung des Zukunftsfonds der Republik Österreich stimmten 29 Prozent der Aussage "Man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um Wahlen und Parlament kümmern muss" mehr oder weniger zu.

"Die sozio-ökonomisch verursachte Apathie führt zu einer Führer-Sehnsucht", sagte der Historiker Oliver Rathkolb vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien am Mittwoch. Im Vergleich zu einer ähnlichen Untersuchung 2007 gebe es einen "signifikanten Trend."

Der Zuwachs lasse sich aber aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsmethoden nicht in genauen Prozentwerten ausdrücken, sagte Rathkolb. 2007 seien fünf Antworten, diesmal nur vier Antworten möglich gewesen. Eine statistische Umrechnung der Skalen ergebe den genannten "signifikanten Trend".

Kritische Distanz gegenüber der NS-Zeit gewachsen

Die Bedeutung der Perspektivlosigkeit ist nach den Worten von Rathkolb in der Forschung zur demokratischen Kultur bisher unterschätzt worden. "Autoritär-antidemokratische Einstellungen kommen über die Hintertür der politischen Apathie wieder zurück", sagte der Historiker.

Bei der Studie des Zukunftsfonds, der wissenschaftliche Projekte zur Zeitgeschichte und zur Toleranz fördert, wurde auch das Geschichtsbewusstsein zur Nazi-Diktatur abgefragt.

Demnach sind 56 Prozent der Österreicher der Meinung, dass die Diskussion über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust beendet werden sollte. Zugleich ist die kritische Distanz gegenüber der NS-Zeit gewachsen. Bei der Frage "Was hat der Nationalsozialismus gebracht?" antworteten 30 Prozent "nur Schlechtes". Im Jahr 2005 lag dieser Anteil bei 20 Prozent.

Es wurden nach Angaben der Autoren im Januar und Februar 1015 Menschen befragt. Die Fehlerquote liegt bei plus/minus 3,1 Prozent. (dpa)