Bangkok. Mit der Amtsenthebung der Regierungschefin und des halben Kabinetts hat die seit Monaten anhaltende Regierungskrise in Thailand am Mittwoch einen neuen Höhepunkt erreicht.

Das oberste Gericht warf Yingluck Shinawatra und ihren Ministern Verfassungsbruch vor. Die Versetzung eines hohen Beamten zugunsten eines Verwandten von Yingluck vor drei Jahren sei illegal gewesen. Die Minister, die an der Entscheidung nicht beteiligt waren, bleiben im Amt und bestimmen den neuen Regierungschef. Unter den von der Gerichtsentscheidung betroffenen Kabinettsmitgliedern sind auch der Außenminister, der Finanzminister und der einflussreiche Arbeitsminister.

Die politische Lähmung des Landes mit Massenprotesten und Tränengas auf den Straßen Bangkoks löst das Urteil nicht. Nach wie vor verlangen die seit Monaten demonstrierenden Regierungsgegner eine ungewählte Übergangsregierung, die mit politischen Reformen Amtsmissbrauch in Zukunft unterbindet. Sie werfen der Regierung und Yinglucks Bruder Thaksin, der aus dem Exil die Regierungspolitik mitbestimmt, Korruption und Vergeudung von Staatsgeldern vor. Das Regierungslager besteht aber darauf, dass eine neue Regierung aus Wahlen hervorgehen muss. Sie hätte nach Umfragen die Mehrheit sicher. Ihre Anhänger haben Massenproteste angekündigt, sollte eine ungewählte Übergangsregierung an die Macht kommen.

Der Jurist und Analyst Verapat Pariyawong kritisierte das Urteil scharf. "Das ist ein juristischer Coup mit langfristigen Auswirkungen auf die Machtbalance", schrieb er. Er hält die Begründung der Richter für fadenscheinig. Verapat hat schon öfter die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt. Die Regierungspartei argwöhnte im Vorfeld, das Gericht stehe auf Seiten der Regierungsgegner. In fast gleicher Besetzung hatte es schon 2008 zwei Regierungschefs aus dem Thaksin-Lager des Amtes enthoben. Das Militär hatte Thaksin 2006 gestürzt. Er ging 2008 ins Exil, kurz bevor ein Gericht ihn wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilte.

Die Gesellschaft ist tief gespalten: Die überwiegende arme Landbevölkerung steht hinter dem Thaksin-Lager. Die Opposition wird mehrheitlich von den wohlhabenderen Schichten gestützt, die seit Thaksins Machtantritt 2001 an Einfluss verloren haben. Sie sind aber in der Minderheit und haben an der Wahlurne keine Chance.

Seit 2006 haben beide Lager Massenproteste organisiert und Teile Bangkoks teils wochenlang lahmgelegt. Mehr als 100 Menschen kamen bei Zusammenstößen ums Leben. Die Regierungsanhänger heißen nach der Farbe ihrer T-Shirts Rothemden. Die Oppositionellen waren früher Gelbhemden, doch löste die Bewegung sich auf. Heute treten die Regierungsgegner in den Farben der Nationalflagge auf: rot-weiß-blau.

Der Versuch der Regierungspartei Pheu Thai, Thaksin per Amnestie straffrei nach Thailand zurückzubringen, war im November Auslöser für die jüngste Protestwelle. Die außerparlamentarische Opposition PDRC unter Anführer Suthep Thaugsuban organisierte Massenproteste und besetzte wochenlang Regierungsgebäude. Die Oppositionspartei "Die Demokraten" startete auf mehreren Ebenen juristische Schritte gegen Yingluck.