Moskau. .
Die Ukraine-Krise trifft die russische Wirtschaft hart. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht das Land schon jetzt in der Rezession und erwartet eine massive Kapitalflucht. Die Lage könnte sich weiter verschärfen, wenn der Westen zusätzliche Wirtschaftssanktionen auf den Weg bringt. Insbesondere amerikanische Firmen fahren ihr Geschäft wegen der Strafmaßnahmen bereits zurück, wie zum Beispiel der Kreditkartenanbieter Visa.
„Wenn man unter Rezession ein Minus-Wachstum von zwei Quartalen in Folge versteht, dann befindet sich Russland bereits in einer Rezession“, sagte IWF-Experte Antonio Spilimbergo am Mittwoch: „Weitere Sanktionen wirken sehr negativ und belasten das Investitionsklima.“ Das russische Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr daher nur noch um 0,2 Prozent wachsen – bislang waren 1,3 Prozent veranschlagt worden.
Der IWF rechnet damit, dass in diesem Jahr Kapital in Höhe von 100 Milliarden Dollar aus Russland abfließen wird. Allein im ersten Quartal waren es der Zentralbank zufolge 64 Milliarden Dollar. Dadurch ist auch der Rubel-Kurs auf ein Rekordtief abgerutscht, was importierte Waren teurer macht und die Inflation anheizt.
Nicht nur der IWF sieht Russland in der Flaute. Erst letzten Freitag hatte die Rating-Agentur Standard & Poor’s die Bewertung von Anlagen in die russische Wirtschaft herabgestuft – auf knapp über dem sogenannten Ramschniveau.
Allerdings: Real schmerzen die Sanktionen die russische Wirtschaft bislang kaum. Im Gegenteil, nachdem die USA und die EU am Montag ihren neuen Strafkatalog bekanntgaben, kletterte der Rubel an der Moskau Börse um fast elf Kopeken gegenüber dem Dollar, um 15 Kopeken gegenüber dem Euro. Beobachter erklären das damit, dass die Strafen bisher außer einigen Topbeamten und Wirtschaftsmanagern nur zweitrangige Firmen betreffen, aber nicht wie befürchtet ganze Wirtschaftszweige.
„Dass einige unserer Entscheidungsträger jetzt nicht mehr in den Westen reisen dürfen, und ihre Konten gesperrt werden, hat auf die Wirtschaft keinen Einfluss”, sagte der Wirtschaftspolitologe Andrei Susdalzew im Gespräch mit dieser Zeitung.
Aber auch der Kreml ist sich bewusst, dass Null- oder gar Minuswachstum droht. Wie die Zeitung Kommersant unter Berufung auf Regierungsbeamte berichtet, plant Präsident Wladimir Putin in der nächsten Woche eine Krisensitzung, bei der über Maßnahmen zur Wiederankurbelung der Wirtschaft beraten werden soll.
Putin droht dem Westen
Das Problem: Die Wirtschaft kämpft nicht nur mit den Sanktionen. Schwerer noch wiegt, dass der Kreml schon vor der Ukraine-Krise seinen Modernisierungskurs aufgegeben hat. An der Abhängigkeit von Gas- und Ölexporten hat sich nichts geändert. Große, schwerfällige Staatskonzerne beherrschen die Industrie. Korruption ist ein weit verbreitetes Phänomen. Abgesehen von wenigen Branchen sind Investitionen in Russland für ausländische Firmen nicht attraktiv.
Jetzt droht Putin dem Westen. Wenn es neue Sanktionen gebe, „werden wir darüber nachdenken müssen, wie (ausländische Firmen) in der Russischen Föderation arbeiten, insbesondere in Schlüssel-Industrien wie dem Energiesektor“. Unter anderem kooperiert der russische Ölkonzern Rosneft mit Konzernen wie der US-Firma ExxonMobil, Statoil aus Norwegen und Italiens Ölkonzern Eni.
Ob Moskau diese Kooperationen wirklich stoppen wird, ist aber fraglich: Das russische Wirtschaftswachstum würde davon jedenfalls kaum profitieren.