Essen. Auf der Autobahn 1 ist für 200 Millionen Euro ein Tunnel gebaut worden, um 2000 Anwohner zu schonen. Jetzt sagt NRW-Verkehrsminister Groschek: Nie wieder! Die Kosten liefen davon, die Bauarbeiten verzögerten sich. Nicht nur für den Bundesrechnungshof ist dieses Projekt ein Lehrstück für verpatzte Straßenplanung.

Pkw-Maut? Die ist unnötig, hat der Bundesrechnungshof signalisiert – zumindest, so lange deutsche Fernstraßen zu aufwändig und zu teuer geplant und gebaut werden. Dass die oberste Prüfbehörde der Republik dabei auch an ein nordrhein-westfälisches Großprojekt denkt, gilt im Landesverkehrsministerium als sicher. Es geht um den Kölner Lärmschutztunnel der A 1. Er ist ein Lehrstück für verpatzte Straßenplanung.

Eine zu lange Planungszeit

„Schallschutzeinhausung Köln-Lövenich“ heißt das 1,5 Kilometer lange Bauwerk offiziell. Der Steckbrief: Zwei hohe Betonwände an der Seite, eine in der Mitte, das über die ganze Länge und über sechs Spuren breit. Es gibt 600 von Wand zu Wand gespannte Träger, die ein 60.000 Quadratmeter großes Glasdach halten.

Aus dem eigentlich beabsichtigten „leichten“ Lärmschutz ist hier im Lauf der langen, 20-jährigen Planungs- und Bauzeit ein echter Tunnel geworden. Und weil ein Tunnel nach schlimmen Brandkatastrophen in den Alpen am St. Gotthard und am Mont Blanc ganz andere Sicherheitsvorkehrungen braucht als sie bei Lärmschutzwänden erforderlich sind, musste das Bauwerk „überplant“ und mit zusätzlichen Einrichtungen aufgerüstet werden.

Die Kosten explodierten

Die Kosten explodierten noch einmal. Die Endabrechnung liegt vor: 200 Millionen Euro. Damit ist der Ohren-Schutz mehr als doppelt so teuer geworden als ursprünglich geplant, nämlich 200 Millionen Euro für 2000 Lärmgeplagte. Das sind 100.000 Euro für die Ruhe jedes Einzelnen. Ein starkes Stück Straßenbau.

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Von Hubert Wolf und Lokalredaktionen

In diesen Tagen ist das Lövenicher Loch fast fertig. Längst rollt der Verkehr von Bauarbeiten ungehindert – aber dauerhaft mit Tempo 80 statt mit einst vorgesehenem Tempo 100, denn durch das Glasdach werden „Lichteffekte“ ausgelöst.

Perfekt ist auch die Technik noch nicht. Kölner Autofahrern ist der 23. Oktober letzten Jahres in Erinnerung. Bei einem Auto war die Kühlflüssigkeit in Brand geraten. Sensoren der ausgeklügelten Brandmeldeanlage lösten Alarm aus, die Fahrer wurden zum Verlassen ihrer Fahrzeuge aufgefordert. Es soll zu chaotischen Verhältnissen auf den Fahrbahnen gekommen sein.

Ziel wäre billiger zu erreichen gewesen

NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) ist jetzt sicher: „Aus heutiger Sicht hat sich das Modellprojekt nicht bewährt. Eine derart aufwändige Einhausung zum Schutz der Anwohner vor Verkehrslärm würde heute nicht mehr realisiert.“

Harte Worte eines Ministers, der damit ja auch vergangene politische Entscheidungen und Leistungen von Verwaltungen und Regierungen bemängelt. Aber die Kritik wird von Experten geteilt.

Roman Sutholt vom ADAC Nordrhein: „Der Lärm ist um 15 Dezibel gesenkt worden. Das ist eigentlich gut. Aber heute würde dieser Wert auch mit dem Einsatz von Flüsterasphalt und zehn Meter hohen Lärmschutzwänden erreicht.“ Sutholt glaubt also, die gleiche Ruhe für die Umgebung hätte der Staat für 37,4 Millionen Euro haben können. Ein Bruchteil der tatsächlichen Summe.

Auch im Hamburg vorgesehen

Vielleicht leitet der Unmut über den Tunnel von Köln und die abschließende Ministerschelte eine Denk-Wende in der Verkehrspolitik ein, wie sie der Bundesrechnungshof in seinem letzten Gutachten ganz allgemein verlangt hat.

Zwar ist nach einem 1400 Meter langen Teilstück der A 3 an der hessisch-bayerischen Landesgrenze vor Aschaffenburg und nach dem Kölner Ring als dritte „Einhausung“ ein ähnlicher und sogar dreiteiliger Lärmschutztunnel bei Hamburg auf der Autobahn A 7 derzeit in Arbeit.

Aber ADAC-Mann Sutholt sieht in Groscheks Mahnung zumindest auch eine indirekte Absage an Forderungen Leverkusener Bürger, die im Zug des Neubaus der Rheinbrücke am liebsten die Autobahnen A 1 und A 3 unter das Pflaster ihrer Stadt versenken möchten.

Teure Tunnel für die Autobahnen – so, wie es sie für die Schnellstrecken der Bahn durch Hessen, Franken, Thüringen und den Westerwald gibt? Wer darauf hofft, wird wohl warten müssen.